Bitte alles aussteigen!

In diesen Prachtbahnhöfen von Hamburg bis Nürnberg darf die Bahn gerne Verspätung haben.
von  Claudia Carstens
Hundertwasser-Bahnhof Uelzen
Hundertwasser-Bahnhof Uelzen © Gerd Kittel

In Stuttgart wird gerade einer abgerissen, in München streitet man lustvoll über die künftige Optik. Anderswo werden Bahnhofsgebäude meist links liegen gelassen, schließlich will man ja schnell weiter kommen. Doch bei diesen Bahnhöfen lohnt sich ein Verweilen, um die prachtvolle Architektur und die Einzigartigkeit im Detail zu bewundern. Wir machen Station in den schönsten Bahnhöfen Deutschlands.

Märchenhaft: Hundertwasser-Bahnhof Uelzen

Der Architekt und Maler Friedensreich Hundertwasser hat im Rahmen der Expo 2000 den wohl schönsten Kleinstadtbahnhof Deutschlands erschaffen. Jede der bunten Säulen ist ein Unikat. Die Pflastersteine zeigen Tier-Silhouetten und kreative Muster. Auf der einen Seite im Wartebereich tragen alte Gusseisensäulen Holzdach und Solarzellen, auf der anderen Seite liegt das kunterbunte Restaurant und Café im Hundertwasser-Stil. Es gibt sogar täglich Bahnhofsführungen. Anmeldung unter: 0581/3890489, Preis: 3,50 Euro. Bahnhofseröffnung: 1887 (Gebäude), 2000 (Hundertwasser-Bahnhof).

Kolossal: Leipziger Hauptbahnhof

Groß, größer, Leipziger Hauptbahnhof. Europas größter Kopfbahnhof hat 24 Bahnsteige und eine Länge von 298 Metern. Die mächtigen Glasfenster im Dach und die riesigen Torbögen verleihen dem Bahnhof Weite und Schönheit. Da der Bahnhof früher Eigentum der sächsischen und der preußischen Bahn war, gibt es auch noch heute alles zweimal: Empfangshallen, Wartesäle, Treppenaufgänge.

1915 eingeweiht, wurde der Bahnhof 1944 schwer beschädigt, rekonstruiert und 1997 fertig gestellt. Heute ist er mit seinen "Hauptbahnhof-Promenaden" unter dem 270 Meter langen Querbahnsteig gleichzeitig supermodernes Shoppingzentrum. Hier können Sie in mehr als 140 Geschäften auf drei Ebenen an allen Tagen der Woche die Kreditkarte glühen lassen. Bahnhofseröffnung: 1915, 1997.

Grün: Hauptbahnhof Darmstadt

Blumenbeete auf dem Bahnhofsvorplatz, das gibt es ja öfter. Aber welcher Bahnhof liegt schon gleich an einem Park? Darmstadts Hauptbahnhof ist Deutschlands grünster. Kein Wunder, dass er 2010 zum Bahnhof des Jahres gewählt wurde. Eine Augenweide ist der Siegerbahnhof aber auch von innen. Der Riese aus grauem Naturstein zeigt dem Besucher seine frisch modernisierte helle Halle, in der sich Glas und Jugendstillampen gut miteinander vertragen.

Eine sehr persönliche Ansprache am Schalter, die roten Ledersessel im Reisezentrum und das sommerliche Rauschen der Kastanie am Restaurant Fürstenbahnhof gaben für Tester Karl-Peter Naumann von Pro Bahn den Ausschlag: „Darmstadt, das ist eine Wohltat für Reisende“, sagt er.

Ein Lichtblick: Hauptbahnhof Hannover

In Hannover verabredet man sich gern "unterm Schweif". Gemeint ist das üppig beschweifte Pferd auf dem Bahnhofsvorplatz, auf dem König Ernst August thront. Doch nicht nur der Platz, auch der Bahnhof selbst ist ein Prachtstück. Im Jahr 2000 zur Expo in den alten Mauern vollständig erneuert, wurde er 2004 zu Deutschlands erstem "Bahnhof des Jahres" gewählt. Besonderes Highlight des wichtigen Fernverkehrsknotens ist der Mitteltunnel, mit viel Tageslicht umgebaut zur "Passarelle", die heute als "Niki-de-Saint-Phalle-Promenade" Hannovers große innerstädtische Ladenpassage bildet. Die meisten Geschäfte sind bis 23 Uhr geöffnet. Bahnhofseröffnung: 1879

Glaspalast: Hauptbahnhof Berlin

Die 2006 eröffnete Glaskonstruktion ein echter Hingucker. 320 Meter lang, wird sie von zwei mächtigen, 46 Meter hohen Bügelbauten umschlungen. Zusammen mit der Bahnhofshalle in der Mitte wirken sie wie ein moderner Glaspalast, dabei leicht und elegant. Für die Reinigung der 9000 Fenster hat das Fraunhofer-Institut extra eine eigene Maschine entwickelt. Freistehende Treppen durchschneiden elegant den Raum, mehrere Panoramaaufzüge laufen in gläsernen Röhren auf und ab. Unter der Erde wird der frühere Lehrter Bahnhof komplettiert durch einen zweiten ICE-Bahnhof, an dem die Züge nach Hamburg, Leipzig, München und Prag abfahren und ankommen. Gleichzeitig ist der neue Berliner Hauptbahnhof ein riesiges Einkaufszentrum mit 80 Geschäften. Ob die umstrittene Dachkonstruktion, gegen die der Architekt vergeblich geklagt hatte, den Gesamteindruck wirklich verstümmelt, muss jeder Besucher selbst entscheiden. Die Bahn bietet eine Audiotour an, bei der man mit seinem MP3-Player auf Entdeckungsreise gehen kann: Download unter www.hauptbahnhof-berlin.de

Hanseatisch: Hamburger Hauptbahnhof

Viele sagen, dass der Bahnhof Dammtor schöner sei. Doch ein Pluspunkt des Hauptbahnhofs ist - neben der monumentalen Bahnsteighalle mit ihrem stählernen historischen Gerüst - die zweistöckige Wandelhalle. Dort lässt sich in den Geschäftsläden alles kaufen, was auf einer Reise nicht entbehrlich ist, vom Reiseticket bis zum Salmiak-Lolly. Internationales Bahnhofsflair gepaart mit hanseatischem Charme gibt es gratis dazu. Tipp: Beim kleinen Backstand im Erdgeschoss ein leckeres Franzbrötchen genießen. Bahnhofseröffnung: 1900

Fortschrittlich: Hauptbahnhof Nürnberg

Außen alt, innen neu. Nur die neubarocke Außenfassade und der Jugendstilsaal zeigen den Bahnhof von damals. Die Fassade mit Muschelkalk ist heute denkmalgeschützt und wurde beim letzten Umbau Ende des 20. Jahrhunderts nicht erneuert, nur ausgebessert. Mit seinen drei Vermarktungsebenen und Büroräumen ist der Nürnberger Hauptbahnhof innen einer der modernsten. Nicht versäumen: die schönen Wandmosaiken mit dem Thema "Reisen". Bahnhofseröffnung: 1844, 2002.

Herrschaftlich: Bahnhof Hamm

Zugegeben, die Liedzeilen von Reinhard Mey hätten auch jeden anderen Bahnhof beschreiben können. Aber in früheren Arbeitsjahren hat der legendäre Liedermacher nun mal Station im "Hauptbahnhof Hamm" gemacht. Wenn nicht ein Schild mit dem Wort "Bahnhof" unter der Uhr des prächtigen Empfangsgebäudes hängen würde, ließe sich ein Fürstenpalast unter dem Walmdach vermuten. Einnehmend wirkt die hohe Haupthalle, die die Reisenden in barocke Zeiten versinken lässt. Bahnhofseröffnung: 1847, 1920 (neues Empfangsgebäude).

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