Bärwatch am Straßenrand
Yukon - Menschenleer und endlos weit - wer die Zivilisation hinter sich lassen will, der findet in Kanadas Provinz Yukon, was er sucht.
Die Straße gehört dem Grizzly. Unser Auto stört ihn nicht. Der mächtige Bär steht auf dem gelben Mittelstreifen und schaut unseren Wagen eher gelangweilt an. Ganz anders als wir. Langsam kurbeln wir die Fenster herunter und stecken die Kameras vorsichtig raus. Der Grizzly ist keine zehn Meter entfernt. "Niemals aussteigen, lautet Regel Nummer eins", bläut uns Reiseführerin Sheila ein. Grizzlys können bis zu 40 Stundenkilometer schnell rennen. Und wenn sie sich aufstellen, möchte man dem zweieinhalb Meter großen und mehrere hundert Kilo schweren Koloss nicht zwischen die Klauen geraten. Unser Prachtexemplar begnügt sich allerdings mit Blumenpflücken am Straßenrand. Wir folgen ihm im Schritttempo und begleiten den Grizzly in der Abendsonne fast eine Stunde lang, bevor er im Gestrüpp verschwindet.
Bärwatching ist Volkssport hier oben im Norden Kanadas
In der Provinz Yukon sind die meisten Bären des Landes zu Hause. Die Ranger haben mehr als 6000 gezählt, dazu über 50000 Elche. Der Yukon gilt als eines der letzten Abenteuer in Kanada, Natur und Wildnis pur. Im Yukon leben gerade mal 30000 Menschen, davon allein 23000 in der Hauptstadt Whitehorse. Der Rest der Provinz ist weitgehend unbewohnt, fast eine halbe Million Quadratkilometer. Schneebedeckte Berge, leuchtende Wälder und glitzernde Seen bestimmen das Bild.
Whitehorse ist für die meisten Touristen die erste Station im Yukon. Hier übernehmen viele ihr Wohnmobil oder ihren Mietwagen. Es macht Sinn, zwei Tage zu investieren, nicht nur für den Großeinkauf. Mehrere Museen und ein Schaufelraddampfer erzählen die Geschichte der Stadt. Engagierte Einwohner laden zu kostenlosen Wanderungen in die Umgebung ein. Eine gute Gelegenheit, sich zu akklimatisieren und mit den Eigenarten der Kultur zu beschäftigen.
Das urbane Leben im Yukon ist recht überschaubar
Es gibt Nester wie Carcross, die man nicht wirklich gesehen haben muss, aber sie liegen halt auf dem Weg. Der Name steht für Caribou Crossing und hat nichts mit Autos zu tun. Ein paar versprengte Häuser, der älteste General Store im Yukon, weniger als 400 Einwohner. Carcross ist Endstation der White Pass Railway. Zwei Dieselloks schleppen die restaurierten Waggons aus der Goldgräberzeit von Skagway am Meer in Alaska über den 1000 Meter hohen White Pass 100 Kilometer weit bis zur Endstation Carcross. Nach einem kurzen Stopp geht es dann denselben Weg wieder hinunter nach Alaska.
Skagway ist im Grunde eine Geisterstadt. Auf ihrer Fahrt durch die Inside-Passage gehen die großen Kreuzfahrtschiffe in Skagway vor Anker und hauchen dem Nest für wenige Stunden Leben ein. Wie Ameisen strömen dann die meist amerikanischen Passagiere die Gangways hinunter, schnurstracks auf ein paar Dutzend Souvenir-Shops zu. Einige buchen den Ausflug mit der Eisenbahn und verirren sich nach Carcross.
Die faszinierende Gletscherwelt des Kluane Nationalparks
Man kann mit dem Zug auch von Carcross aus starten. Zeit und Geld sind jedoch besser in Rundflügen über die faszinierende Gletscherlandschaft des Kluane Nationalparks angelegt, die man nur aus der Luft sehen kann. Kluane ist ein Teil des größten Weltkultur-erbes der Unesco. Zusammen mit dem Glacier Nationalpark und dem Wrangell Nationalpark in Alaska bildet Kluane das größte zusammenhängende nichtpolare Eisfeld der Erde.
Allein der Lowell Gletscher ist 70 Kilometer lang. An seinem Ende brechen 30 Meter hohe Eisbrocken in den Alsek River. Millionen Tonnen Geröll geben den Lowell Gletscher und den anderen die dunklen Streifen. Das Eis ist teilweise eineinhalb Kilometer dick. Dahinter thront der Mount Logan, mit knapp 6000 Metern der höchste Berg Kanadas. Selbst wenn Wolken Mount Logan verdecken, lohnt sich der Rundflug mit der kleinen Cessna. Die mit 40 Minuten kürzeste Tour ab Haines Junction kostet 115 kanadische Dollar.
Rafting ist spannend – allerdings nicht jedermanns Sache
Das Wasser ist ziemlich kalt, der Tatshenshini River etwa hat nur wenige Grad über Null. Die Stromschnellen auf der 25 Kilometer langen Flussfahrt werfen das Boot zwar nicht um, nass wird man trotzdem. Deshalb beginnt der Ganztages-Ausflug mit Umziehen. Etwas mühsam schlüpfen die Rafter in Neoprenanzüge. Lange Unterwäsche und dicke Wollsocken sind ein Muss. Baumwolle ist nicht angesagt, denn einmal feucht wird es darin ziemlich kalt.
Mit etwas Glück sieht man Bären oder Elche am Ufer. Adler beobachten die Rafter aus der Luft, ein Stachelschwein versteckt sich im Baum. Insgesamt vier Stunden auf dem Wasser, dazu eine Stunde Mittagspause in der Schlucht – da sehnt man sich nach einer heißen Dusche und trockenen Kleidern. Hartgesottene buchen die Zehn-Tages-Tour mit Übernachtung im Zelt, die quer durch den Nationalpark führt bis zur Mündung des Tatshens-hini im Meer.
Service Yukon
Auskunft: Kanada Tourist Commission c/o Touristikdienst Lange, Eichenheege 1-5, 40213 63477 Maintal, Telefon 01805/526232 (0,14 Euro/Minute), www.canada.travel und www.travelyukon.de Einreise: Deutsche Besucher brauchen für Kanada kein Visum. Es genügt ein gültiger Reisepass, bei Kindern der deutsche Kinderaus-weis. Flüge: Im Sommer zweimal pro Woche Nonstop mit Condor. Air Canada mit Umsteigen. Auto fahren: In Kanada wird der deutsche Führerschein akzeptiert. Beste Reisezeit: Juni bis September. Dabei ist die Saison extrem kurz. Gerade drei Mo-nate lang lässt sich der Yukon einfach bereisen. Dann ist es 20 Stunden hell und oft erstaunlich warm. 25 Grad sind keine Seltenheit. T-Shirts und Sonnencreme gehören auf jeden Fall in den Koffer, genauso wie Sprays oder Cremes gegen Mücken. Währung: 1 Canadian Dollar = rund 65 Euro Cent, EC-Karte mit Maestro-Zeichen werden von Geldautomaten akzeptiert.
Thomas Hartung
- Themen:
- Schienenverkehr