Auf Rollen in der Schweiz

In der Schweiz können Inliner bis zu 400 Kilometer quer durchs Land düsen. Der Asphalt ist glatt und frei von Kieselsteinchen.
von  Monika Hippe aus Romanshorn

Romanshorn - Der Asphalt ist glatt und frei von Kieselsteinchen. Die Arme schwingen im Gleichtakt mit den Füßen: rechts, links, rechts, links . . . Ein leichter Wind trocknet den Schweiß auf der Stirn. Es geht vorbei an Feldern mit Rübli (Karotten) und Nüssli (Feldsalat). Kurzer Stopp beim „guten Heinrich“. Auf dem Gemüselehrpfad zwischen Kerzers und Ins im Schweizer Mittelland gilt die Pflanze als Rarität. Ein Schild verrät, dass man die spitzen, welligen Blätter wie Spinat essen und die Schösslinge wie Spargel zubereiten kann. Ob man ein paar Blätter abrupfen darf? „Es ist okay, wenn einer mal was stibitzt, aber wir bieten nicht grundsätzlich Rohkostverpflegung für alle an. Dann bleibt ja nichts von der Ernte!“, sagt Pascal Occhieni.

Hier wächst ein Viertel der Landesproduktion

Der Landwirt beackert eine Fläche, die etwa halb so groß ist wie der Bodensee, mit Sellerie, Rotkohl, Zwiebeln. Das Große Moos im Drei-Seen-Land ist das größte Gemüseanbaugebiet der Schweiz. Hier wachsen 60 Sorten - ein Viertel der Landesproduktion. Und die Wege zwischen den Feldern sind perfekt fürs Inlineskating. Die gesamte Skating-Route führt über 400 Kilometer von Romanshorn nach Estavayer-le-Lac. Sie ist Teil des Projekts „Schweiz mobil“, mit dem das Land für den „Langsamverkehr“ wirbt. Wer eine Urlaubsreise auf Skates bucht, erhält einen Routenführer mit Infos über den öffentlichen Nahverkehr, Besichtigungstipps und Angabe der unterschiedlichen Schwierigkeitsgrade. Ein Fahrservice holt täglich das Gepäck ab und bringt es zur nächsten Unterkunft, ob Heuhotel oder Vier- Sterne-Haus. Ein besonders einfaches Teilstück liegt auf der „Mittellandroute“ zwischen Solothurn und Avenches. Dabei sind auf einer Strecke von 100 Kilometern nur circa 250 Höhenmeter zu bewältigen.

Es geht an Bahngleisen entlang, an Mais- und Kartoffelfeldern vorbei. Polnische Landarbeiter grüßen und verschenken ein paar Rübli. Bauernhöfe locken mit knackigen Äpfeln zur Rast am Straßenrand. Die Schweiz ist hier so platt wie Ostfriesland. Nur im Norden streckt das Juragebirge seine Arme ins Tal. Am Aare-Hagneck-Kanal gibt das Gebüsch immer wieder den Blick auf ein vorbeituckerndes Boot frei. Dieser Kanal zwischen Aarberg und dem Bielersee wurde Ende des 18. Jahrhunderts gebaut, um das Gebiet vor Überschwemmungen zu schützen. Später folgten weitere sogenannte Juragewässerkorrekturen zwischen den drei großen Seen (Bieler-, Murten- und Neuenburgersee). In Wangen schrubbeln die Skates über eine alte Holzbrücke; in dem Barockstädtchen Solothurn muss man ein kurzes Stück über Kopfsteinpflaster strümpfeln. Ansonsten ist die Strecke gut asphaltiert. Und die Wegfindung ist dank der entsprechenden Schilder mit den Skatingschuhen kinderleicht.

Das erste überdachte "Inlinedrom" der Welt

Wer sich beim Bremsen noch nicht ganz sicher fühlt, kann in Weinfelden - ganz am Anfang der Mittellandroute - Bremskurse besuchen: im ersten überdachten „Inlinedrom“ der Welt. Auch Speedfahren und Nordic Blading - das Inlinern mit Stöcken - kann man dort lernen. Pause am Ufer des Murtensees: Die Wasseroberfläche glitzert in der Sonne. Der Wind schiebt ein paar Surfer wie Schachfiguren hin und her. Die dampfenden Füße bekommen eine Abkühlung im kalten See. Gegenüber erhebt sich der Mont Vully. An seinen Hängen wachsen Trauben, aus denen ein süffiger Weißwein gekeltert wird. Der schmeckt besonders gut in einer der romantischen Laubengassen in der Murter Altstadt. Hier flattert an jedem Haus ein Schweizer Fläggli. Ein Abstecher führt nach Nennigkofen ins Maisfeldhotel. Jedes Frühjahr sät Landwirt Herbert Schluep hier sein Hotel neu. Dort, wo 16 Zimmer und drei Flure entstehen sollen, verlegt er einen Teppich aus Vliesstoff, damit die Keime nicht sprießen. Die Wände wachsen von selbst. Die Betten sind Ikea-Gestelle mit Strohballen als Matratzen. Sie sind angenehm fest und duften gut. Ein Baumstumpf dient als Nachtkästchen. Wer meint, er könne nachts ein bisschen an der Wand knabbern, wird schnell eines Besseren belehrt: Futtermais ist ungenießbar. Und wenn es gewittert? „Dann ist es eben etwas abenteuerlich“, sagt Herbert und lacht. Dabei kräuseln sich winzige Fältchen an seiner Nasenwurzel wie die Rillen auf den Blättern einer Maisschote.

Doch die Nacht ist lauschig: Tausende Sterne funkeln, die Grillen zirpen, und der Wind raschelt leise in den Maisstauden. Die letzte Etappe führt in die einstige Römerstadt Aventicum - heute Avenches. Die Altstadt thront auf einem Hügel, den man sich erst erkämpfen muss. Oben angekommen, fühlt man sich zurückversetzt ins Mittelalter. Eine Ringmauer umgibt die historischen Häuschen. Auf dem Marktplatz herrscht absolute Stille. Nur der von Geranien umrankte Brunnen plätschert leise. Kaum zu glauben, dass hier jedes Jahr mit dem Opernfestival eines der wichtigsten Kulturevents der Schweiz stattfindet. An diesem Sonntagabend hat nicht mal mehr ein Restaurant geöffnet. Dabei wäre jetzt ein leckerer Gemüseteller mit Brokkoli, Blumenkohl, Zuckerschoten, Krautstielen und Rösti genau das Richtige. Macht nichts. Irgendwo im Rucksack waren ja noch ein paar Rübli!


 

Anreise
Die Schweiz ist sehr leicht mit dem Zug zu erreichen. Bei der Bahn gibt es den Europa-Spezial-Preis ab 39 Euro: www.bahn.de .

Veranstalter
SwissTrails GmbH, Chlupfstr. 8, 8165 Oberweningen, Telefon 00 41 / 4 34 22 60 22, www.swisstrails.ch . Der Veranstalter bietet im Rahmen des nationalen Projektes „Schweiz Mobil“ ( www.schweizmobil.ch ) neben Skatingtouren auch Rad-, Mountainbike-, Wander- und Kanutouren mit Gepäcktransport an. Auch eine Kombination der Sportarten ist möglich. Eine Vier-Tage-Inliner-Tour kostet z. B. ab 430 Euro.

Unterkunft
Hôtel des Arts, Rue J.-L. Pourtalès 3, 2001 Neuchâtel, Telefon 00 41 / 3 27 27 61 61, www.hotel-des-arts.ch , Doppelzimmer ab 140 Euro.

Maisfeldhotel bei Solothurn, geöffnet von Mitte Juni bis Anfang September, circa 70 Euro für ein Doppel- oder Familienzimmer, Erika Bader und Herbert Schluep, Rütihof 111, Nennigkofen, www.maishotel.ch

Essen und Trinken
Im Café Münz im kleinen Dorf Ins (Bahnhofstraße 6) gibt es leckeren Rhabarberkuchen, Chäschüchli (Käseküchlein) und einen frischen Gemüseteller mit acht Sorten Gemüse und Rösti ( www.ins.ch ).

Allgemein
Schweiz Tourismus, Postfach 16 07 54 , 60070 Frankfurt a. M., Tel: 00 800 / 100 200 30 (gratis), www.myswitzerland.com

Besichtigen
St. Ursen: Kathedrale und Zeitglockenturm aus dem 12. Jahrhundert in der Barockstadt Solothurn www.solothurn-city.ch

Biel und Neuchâtel sind Stationen auf der Uhrmacherstraße. Hier kann man bei der Uhrenherstellung zusehen: www.biel-seeland.net

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