Am königlichen Hof
Die blecherne Karawane kämpft sich vorwärts, pflügt voran wie ein Schaufelradbagger durch tiefen, schwarzen Torf. Viele Senken sind mit Wasser vollgelaufen, Furchen ziehen sich durch das Grasland. Der Schlamm klatscht auf die Windschutzscheibe, die Passagiere schüttelt es vom Staccato der Hügel, Buckel und Mulden. Stellt man sich so eine Fahrt zu Majestäten vor? Eher nicht. Doch der königliche Hof der Falklandinseln residiert nun mal derart abgelegen. Etwa 80 Kilometer entfernt von der Inselhauptstadt Stanley; erst über eine Schotterpiste, dann fast zwei Stunden querfeldein. Offiziell ist die britische Königin Staatsoberhaupt auf diesem Eiland mitten im Südatlantik, irgendwo zwischen Argentinien und der Antarktis. Und so wird es wohl auch bleiben. In einem Referendum stimmten kürzlich 99,8 Prozent der gut 1500 Wähler für die weitere Zugehörigkeit zu Großbritannien. Nur drei Bürger wollten lieber von Argentinien regiert werden.
Die 1000 Tiere der Kolonie ziehen jedes Jahr 200 Junge auf
Doch die Monarchin in London ist fern. Und so dreht es sich an den meisten Tagen im Jahr in Sachen gekrönte Häupter nicht um englische Queen, sondern um Pinguine, genauer gesagt um Königspinguine. Allein ihretwegen auch die strapaziöse Fahrt. Am Volunteer Point, ganz im Nordosten von East Falkland, einer von zwei Hauptinseln, lebt eine große Kolonie. Um die 1000 Tiere ziehen dort jedes Jahr etwa 200 Junge auf. Lässig steuert Toni den Range Rover über die Buckelpiste. Ihre Gäste im Fond stoßen sich beinahe den Kopf am Fahrzeughimmel, Toni entgegnet nur: „Uns liegt das Offroadfahren im Blut.“ So klingt Nonchalance am Südatlantik. Zumindest die wenigen Siedlungen sind mittlerweile durch Schotterpisten verbunden. „Vor dem Konflikt mit Argentinien war das nicht so“, erklärt die Mitvierzigerin und schneidet damit jene 74 Tage an, die ihre karge Heimat in den Blickpunkt der Welt katapultierten. Bereits seit 1833 erhebt Buenos Aires Ansprüche auf die Islas Malvinas, so der spanische Name der Inseln. Doch erst Anfang April 1982 zieht die argentinische Militärjunta den nationalistischen Joker. Die Generalsclique lässt die Falklandinseln besetzen.
„Wir mussten plötzlich auf der rechten Straßenseite fahren, aber ansonsten haben die argentinischen Soldaten uns Zivilisten größtenteils gut behandelt“, erzählt Toni fast 30 Jahre später. Immer wieder passiert die Jeep-Kolonne langgezogene Geröllfelder. „Wir sagen Steinflüsse dazu“, erklärt die Frau am Lenkrad, die im Hauptberuf Schafe züchtet. Rund 5000 leben auf ihrer Farm, mehr als eine halbe Million weiden insgesamt auf den Falklandinseln. Bäume gibt es hingegen nicht; auch Büsche und Sträucher ducken sich meist weg aus dem pfeifenden Wind und werden nicht sehr groß. Die Inseln macht das karg und trostlos, doch die Falkländer lieben ihre Heimat. „Ich habe auch schon anderswo in der Welt gelebt, aber allein hier fühle ich mich zu Hause“, bekennt Toni. Und sie hat recht: Es braucht etwas Zeit, bis man den richtigen Blick entwickelt — aber dann entfaltet die Landschaft ihren herben Reiz. Die größte Attraktion sind aber die Pinguine.
Endlich ist die erste königliche Hoheit zu sehen. Langer, schmaler Schnabel, orangegoldene Färbungen, rund 90 Zentimeter groß. Größer sind nur die Kaiserpinguine, doch die leben in der Antarktis. Das Tier im Frack könnte auch direkt vom Wiener Opernball kommen. Tatsächlich aber kehrt es von der Jagd zurück — aus den Fluten des Südatlantiks. Gemächlich stolziert der Pinguin zu seinen Artgenossen. Es scheint, als habe jeder einen eigenen Charakter. Manche schauen neugierig, andere wirken arrogant, als wollten sie, ganz Hoheit, mit dem gemeinen Volk nichts zu tun haben. Man würde gerne länger bleiben, noch mehr entdecken. Doch die Audienz endet bald. Denn die Rückfahrt wird genauso lang und genauso holprig wie die Hinfahrt. „Nur die Königspinguin-Kolonie am Volunteer Point ist weltweit übrigens so einfach zu erreichen“, erklärt Toni. Einfach? Nur ein paar Hundert Seemeilen von der Antarktis entfernt gelten eben andere Maßstäbe.
Anreise
Die chilenische Fluggesellschaft Lan fliegt von Santiago de Chile die Inseln einmal wöchentlich — samstags — an (ab 800 Euro). Buchung auf den Falklandinseln: www.falklandislands.travel. Zudem nimmt die britische Luftwaffe auf ihren Flügen zivile Passagiere mit; Startflughafen ist der Militärflughafen Brize Norton (www. raf.mod.uk/rafbrizenorton) in der Nähe von Oxford. Preis: etwa 2600 Euro.
Unterkunft
Die meisten Betten stehen in der Hauptstadt Stanley zur Verfügung: Etwa Bennett House (ab 45 Euro p. P., celiastewart@ horizon.co.fk), Malvina House Hotel (DZ ab 150 Euro, info@malvinahousehotel.com) oder The Waterfront Hotel (DZ ab 90 Euro), www.waterfronthotel.co.fk
Reisezeit
Die beste Reisezeit für die Falklandinseln ist von September bis April. www.falklandislands.com
Ausflüge
Tagesausflüge zur Königspinguin-Kolonie am Volunteer Point veranstaltet Patrick Watts mit seiner Firma Adventure Falklands — buchbar im Voraus per E-Mail oder direkt vor Ort (etwa 130 Euro pro Person). Die gesamte Exkursion dauert rund sieben Stunden.
Für Kreuzfahrttouristen stimmt Watts die Zeiten der Tour mit Ankunfts- und Abfahrtszeit des Schiffes ab. Ähnliche Touren, die auf den Kreuzfahrtschiffen angeboten werden, sind meist viel teurer. Kontakt: Adventure Falklands, E-Mail: pwatts@horizon.co.fk (keine eigene Homepage).
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