Nächtliche Rückenschmerzen: Kann es Rheuma sein?
Die Hand geht zum Rücken, das Gesicht zeigt sich schmerzverzerrt: Fast zwei Drittel der Erwachsenen in Deutschland haben regelmäßig Rückenschmerzen. Häufige Auslöser sind zu wenig Bewegung und zu langes Sitzen im Alltag. Wenn aber die Schmerzen vor all em nachts auftreten und eine längere Morgensteifigkeit hinzukommt, sollte man sich besser eingehender untersuchen lassen. "Dahinter könnte die Rheumaform Morbus Bechterew stecken“, sagt Dr. Klaus Müller, Leitender Arzt der Rheumatologie am Katholischen Klinikum Bochum.
Rheuma – was ist das eigentlich?
Unter Rheuma verstehen viele von uns eine reine Alterserkrankung. Man stellt sich hier typischerweise einen gebeugt gehenden Menschen mit schmerzenden Gelenken und gekrümmten Fingern vor. Tatsächlich handelt es sich bei diesen Symptomen aber meistens nicht um ein entzündliches Rheuma, sondern um eine Arthrose, also einen nicht entzündlichen, meist altersbedingten Gelenkverschleiß.
Im Unterschied zur altersbedingten Arthrose kann chronisch-entzündliches Rheuma explizit auch junge Menschen betreffen. Chronisch-entzündliches Rheuma steht hier stark vereinfachend für alle Krankheiten des rheumatischen Formenkreises, bei denen das eigene Immunsystem chronische Entzündungen verursacht und befeuert. Klingt zu abstrakt? Dr. Müller konkretisiert: "Es kommt zu Entzündungsreaktionen im Bewegungsapparat, also in den Gelenken, Sehnen und Muskeln, was zu Schmerzen und bleibenden Schäden führen kann.“
Morbus Bechterew: Vor allem Jüngere sind betroffen
Auch bei Morbus Bechterew kommt es zu solchen Entzündungsreaktionen. Bei dieser Rheumaform zeigen sich die Entzündungen zunächst am Kreuz-Darmbein-Gelenk und den Gelenken der unteren Wirbelsäule, später können auch die Brust- und Halswirbelsäule betroffen sein. Weil Entzündungsreaktionen generell nachts stärker ablaufen, sind ebenso die Symptome nachts stärker.
Wann aber sollte man bei nächtlichem Rückenschmerz tatsächlich an Rheuma denken? "Wenn die Schmerzen erstmalig mit unter 45 Jahren auftreten und länger als drei Monate im unteren Rücken und im Gesäß andauern“, erklärt Rheuma-Experte Dr. Müller. "Die Beschwerden sind in Ruhe verstärkt und werden besser, wenn man aufsteht und herumläuft." Gemeint ist hier neben dem eigentlichen Rückenschmerz explizit auch eine Morgensteifigkeit, die sich bei Bewegung bessert oder komplett verschwindet.
Rheuma bei frühzeitiger Diagnose gut behandelbar
Die meisten Menschen in Deutschland verbringen täglich viel Zeit im Sitzen – ob im Büro, im Homeoffice oder abends auf der Couch. Bei Schmerzen im unteren Rücken denken folglich die wenigsten an eine chronisch-entzündliche Autoimmunerkrankung wie Morbus Bechterew.

Dr. Müller benennt die möglichen Konsequenzen einer verspäteten Diagnose: "Die Entzündungen und Schädigungen treten hier vornehmlich am Kreuz-Darmbein-Gelenk und an den Wirbelgelenken auf, was zu einer zunehmenden Versteifung bis schlimmstenfalls zur völligen Unbeweglichkeit der Wirbelsäule führen kann.“ Leider, so der Facharzt weiter, werde Morbus Bechterew „immer noch erst nach im Schnitt sechs Jahren erkannt. Fakt ist aber, dass er umso besser zu behandeln ist, je früher er diagnostiziert wird. Generell ist Rheuma heute gut behandelbar.“
Neue Therapiemöglichkeit: Biologika blockieren die Entzündungsreaktion
Zur medikamentösen Standardbehandlung von Morbus Bechterew setzen Rheumatologen insbesondere nicht steroidale Antirheumatika (NSAR) wie Ibuprofen ein. NSAR haben nicht nur eine entzündungshemmende, sondern auch eine schmerzstillende Wirkung und können somit auch nicht medikamentöse Behandlungsmaßnahmen wie eine Bewegungstherapie unterstützen.
Bei Patienten, die auf eine Standardtherapie mit NSAR nicht ausreichend ansprechen, können Rheumatologen sogenannte Biologika verordnen. Dr. Müller: "Diese Substanzen, etwa TNF-Blocker oder Interleukin-Hemmer, wirken auf bestimmte Botenstoffe der Entzündungsreaktion im Körper, die sie blockieren und so insgesamt die Entzündungsreaktion im Körper unterdrücken. Die Biologika-Therapie hat sich in Studien als gut wirksam erwiesen. Patienten haben weniger Schübe, weniger Schmerzen und weniger Schäden an den Gelenken.“
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