Der Mann hinter dem Rampenlicht: „Visionär und Macher“ Thomas Reister

Die bisherige Geschichte von Reister ist komplex, spannend und gleichzeitig findig. Von der Michael Schumacher-Kappe bis zu Kooperationen mit Porsche oder der innovativen, zukunftsweisenden Neuvermarktung des Hockenheimrings. Grund genug für ein Business-Portrait und ein Treffen im schweizerischen Zug.
"Intellectual Property, also das Geschäft mit Lizenzen, gilt als einer der unterbewertetsten Investitionsmöglichkeit überhaupt“
Aber erst mal von vorne: Thomas Reister ist im Juni 1963 im beschaulichen Birkenfeld in Baden-Württemberg geboren und aufgewachsen. Er interessierte sich schon seit seiner Kindheit für den Motorsport. "Die Lautstärke der Formel-1-Motoren war damals wahnsinnig laut … und sorgte für Gänsehaut“, sagt der Wahlschweizer mit einem breiten Grinsen.
Ein riskanter Start und die goldrichtige "Schumacher-Karte“
Im Alter von nur 21 Jahren wagte er dann den Schritt in die Selbstständigkeit und tauchte 1993 in die aufregende Welt des Motorsports ein. Oder besser gesagt, nahm Platz auf der Fantribüne. Der damals aufkommende Wunsch: das nächste Jahr auf der anderen Seite mit einem eigenen Konzept, dort "wo man ganz nah an der Rennmagie dran ist.“
Ein Jahr später ergriff er eine Gelegenheit, die sein Leben für immer verändern sollte: Während man im Fußball die Trikots von Idolen kauft, gab es im Rennsport recht wenig Produkte, um die eigene Begeisterung auszudrücken. Eine schlichte Kappe war also eine willkommene Alternative für Motorsportbegeisterte, weil fast jeder Fahrer seit den 70ern eine Sponsorenkappe trug.
Er kaufte mit seiner Firma "Reister Merchandising“ die Rechte an der Formel-1-Kappe von Michael Schumacher und schloss dazu eine Vereinbarung mit dem damaligen Sponsor Dekra, um den Deal optimal finanzieren zu können. Bei beiden, sowohl beim Schumacher-Management als auch bei der Dekra, habe Reister per Telefonakquise "mal angerufen und freundlich nachgefragt“, sagt Reister und zuckt verschmitzt mit den Achseln.

Zu dieser Zeit war Schumacher ein aufstrebendes Talent, und niemand konnte vorhersehen, dass er schon bald seinen ersten Weltmeistertitel gewinnen würde und einer der erfolgreichsten Rennfahrer der Welt wird – und nach Boris Becker im Tennis der nächste deutsche Jahrhundertsportler.
Der wirtschaftliche Volltreffer mit einem einzigen Fanartikel
1994 war das Jahr, in dem Michael Schumacher seinen ersten Weltmeistertitel gewann, und Reisters "Schumacher-Kappe“ ging in Hunderttausenden über die Ladentische. Da es zu dieser Zeit noch keinen klassischen Onlinehandel gab, entwickelte er kurzerhand zwei Printkonzepte: das "FAN-World“ und das "Michael-Schumacher-Magazin“. Beides ein Mix aus Redaktion mit Katalog und Werbeseiten, die über den Springer-Verlag im Zeitschriftenhandel positioniert wurden.

"Ein gutes Gespür gehört dazu. Am Montag wurde Michael Schumacher Weltmeister, am Dienstag schalteten wir eine Anzeige in der BILD-Zeitung mit der Schumacher-Kappe mit Telefonnummer und ab Mittwoch haben wir im Prinzip keinen einzigen freien Tag mehr gehabt. Auch unsere lokale Postfiliale war in den Folgemonaten von der Vielzahl an ein- und ausgehenden Lieferungen und Versandpäckchen komplett überfordert.“
Summa summarum: Finanzielle Freiheit dank eines Fan-Artikels.
Lizenz-Deals mit mehr Hebel, Spaß ... und die Hybrid-Technologie
1995 sicherte sich Reister langfristig die Merchandising-Rechte des zweiten deutschen Publikumslieblings Heinz-Harald Frentzen, der 1997 Vize-Weltmeister in der Formel 1 wurde. Weitere Fahrer, zum Beispiel aus der DTM wie Christian Danner, gehörten ebenfalls zu seinen Mandanten. Im Jahr 2001 erweiterte er sein Portfolio, indem er in die Motorradweltmeisterschaft einstieg und das deutsche 125cc Team am Sachsenring übernahm, das er auch als Teammanager leitete. Vom spanischen MotoGP-Vermarkter Dorna erwarb er die TV-Rechte der Motorrad-WM und entwickelte mit der ARD und dem MDR ein Live-Sendeformat, das so erstmals in Deutschland im Fernsehen mit Experten vor Ort und im Studio übertragen wurde.
Ein weiterer schlauer nächster Schritt: Jan Ullrich, der nächste aufkommende Deutsche, wurde vollumfänglich von Reister mit Merchandising ausgestattet. Da er mittlerweile über die notwendigen Mittel verfügte, förderte er den deutschen Nachwuchsmotorsport. Nach eigenen Angaben "ein Herzensprojekt“, für das er vom DMV "für besondere Dienste um den Motorsport“ ausgezeichnet wurde. Dieses Engagement beendete er zum Ende der Saison 2007, nach einem tödlichen Trainingsunfall eines jungen Fahrers in seinem Team.
2008 gründete Reister gemeinsam mit seinem ehemaligen Merchandise-Mandanten Heinz-Harald Frentzen die "Hybrid Racing AG“ und unterstützte die Entwicklung des ersten Hochleistungs-Hybrid-Rennwagens. Obwohl kleinere technische Probleme das Projekt beim 24-Stunden-Rennen beeinträchtigten, funktionierte der Hybrid-Motor an sich gut, nur das Getriebe sorgte für Probleme. Aus diesem Grund wurde das Ergebnis des Hybrid-Racing-Prototypen nicht gewertet. In der Folge gab es Gespräche mit Porsche über mögliche künftige Hybridprojekte im Motorsport. Diese wurden dann aufgrund der beginnenden Krise der Automobilindustrie zu dieser Zeit nicht mehr weiterverfolgt.
Abgesehen davon bewies Reister erneut sein Gespür für neue Chancen, in diesem Fall in der Elektromobilität. 2012 gewann ein Hybrid-Audi das 24-Stunden-Rennen von Le Mans. Ein Wendepunkt im Rennsport, der zum Teil auch auf das Innovationsteam von 2008 zurückzuführen ist, da das Team den technischen Verantwortlichen des Motorsportweltverbandes FIA Zutritt in die Entwicklung gewährte, die diese Erkenntnisse in das neue Reglement für Hybrid-Rennwagen einfließen ließen. Die Hybrid-Technologie ist bis heute aus dem Motorsport und von unseren Straßen nicht mehr wegzudenken.
Neuer Job: die Wiederbelebung des Hockenheimrings
Mit Interesse am Motorsport und Gespür für neue erfolgreiche Geschäftsmodelle wurde Reister seiner Rolle als Gründer und Macher 2012 wieder gerecht und etablierte zusammen mit der Stadt Hockenheim und der Hockenheim-Ring GmbH die Emodrom GmbH am legendären Hockenheimring.
Sein großer Coup: ein zukunftsweisendes Innovationskonzept zur Transformation einer Traditionsrennstrecke in ein Mobilitätszentrum. Mit dem wegweisenden Deal, der Ansiedlung eines Porsche-Experience-Centers, veränderte er das Geschäftsmodell am Ring. Unter Reisters Verantwortung als Mehrheitsaktionär und CEO der Emodrom Group Holding kamen unter diesem Dach mehrere Unternehmen hinzu, die bis heute am Ring tätig sind.
Die von ihm auf den Weg gebrachten erfolgreichen Projekte wie das Porsche Experience-Center mit eigener Handlingstrecke für Hochleistungsfahrzeuge und Off-Road-Gelände, eine neue Kartanlage mit modernen E-Karts, das Emodrom Tech- und Wash-Center, den Umbau des Museums zu einem Center für exklusive Sportwagen, neue Großbildschirmwerbekonzepte, Sonderprojekte mit Prof. James Kelly/Transportation Design und das erste Messekonzept zum „e4-TESTIVAL“ haben das Bild an der bekannten Rennstrecke nachhaltig positiv verändert und bringen der Stadt und ihrer Betreibergesellschaft jährlich siebenstellige zusätzliche Einnahmen, um deren alte offene Verbindlichkeiten aus den Anfängen der 2000er Jahre zu tilgen. Weitere Planungen wie ein neues Hotel, ein Gebäudekomplex für Events, Händler, Schulungen und Qualifizierungen der Automobilindustrie sowie die mehrheitliche Übernahme der Hockenheim-Ring GmbH durch die Emodrom Gruppe waren bis zur Covid-Pandemie 2020 bereits in der Pipeline und mussten auf Eis gelegt werden.
Unter Reisters Führung in der Emodrom Gruppe hat sich der Hockenheimring zu einem Dreh- und Angelpunkt über den Motorsport hinaus für Mobilität entwickelt.
Experten schätzen den von ihm und seinen zwei Mitgesellschaftern getätigten Invest bis zu seinem Ausscheiden auf 35 bis 40 Millionen Euro. 2021 verkaufte der Initiator seine Mehrheitsanteile, nachdem es unter den Mitgesellschaftern und der Stadt unterschiedliche Sichtweisen zur weiteren Entwicklung gab. "Mit dem ehemaligen Oberbürgermeister der Stadt Dieter Gummer und dem langjährigen Geschäftsführer Georg Seiler war es eine tolle Zeit mit vielen Herausforderungen und neuen Projekten, die den Ring nachhaltig prägen. Wir hinterließen ein gut bestelltes Haus und ich kann mich durch den Verkauf neuen Aufgaben widmen“, so Reister trocken.
Was gibt‘s als Nächstes?
Seit über 20 Jahren lebt er in seiner Wahlheimat Schweiz. Sein Unternehmergeist ist ungebrochen, obwohl der finanzielle Erfolg viele sehr bedächtig gemacht hätte.
Heute ist er aufgrund seiner jahrzehntelangen Erfahrung ein gefragter Berater in der Branche und verwaltet zahlreiche Lizenz-Rechte. U.a. seine Erfolgsmarke Emodrom und die englische Traditionsmarke AC.
Reister ist weiterhin engagiert und prüft neue Projekte, die der Mann natürlich wieder hinter und vor dem Rampenlicht betreuen und managen kann. Privat engagiert er sich im Tierschutz und unterstützte vor einiger Zeit ein UNESCO Projekt der Rocklegende Udo Lindenberg sowie zahlreiche weitere Charityveranstaltungen in seiner Karriere.
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