Vorsicht, Falle!
Der Vorsitzende des Haus- und Grund- besitzervereins München über das neue BGH-Urteil zum Kündigungsverzicht
MÜNCHEN Seit Inkrafttreten der Mietrechtsreform sind befristete Mietverträge, das heißt Mietverträge, die für einen bestimmten Zeitraum fest abgeschlossen sind und während dieser Zeit nicht ordentlich gekündigt werden können, nur noch dann zulässig, wenn der Vermieter einen gesetzlichen Befristungsgrund wie zum Beispiel Eigenbedarf hat. Ist dies nicht der Fall, wird der Mietvertrag aber trotzdem befristet, wird er entgegen seinem Wortlaut als unbefristeter Mietvertrag behandelt, der vom Mieter ohne Angabe von Gründen in der gesetzlichen Drei-Monats-Frist gekündigt werden kann. Welche Folgen das für die Praxis hat und wie man dennoch einen Kündigungsverzicht in den Mietvertrag aufnehmen kann, erklärt Rudolf Stürzer, Vorsitzender des Haus- und Grundeigentümervereins München, im Interview.
Herr Stürzer, welche Nachteile hat es, wenn ein Mietvertrag ohne gesetzliche Gründe nicht befristet werden kann?
Häufig besteht sowohl auf der Mieter- als auch auf der Vermieterseite ein Interesse daran, einen Mietvertrag auch ohne Vorliegen von gesetzlichen Gründen zu befristen. Der Vermieter will dadurch z. B. einen kurzfristigen Mieterwechsel vermeiden; der Mieter will sicherstellen, dass er für eine bestimmte Zeit in der Wohnung bleiben kann, ohne eine Kündigung seines Vermieters befürchten zu müssen. Diese Möglichkeit sieht aber die am 1.9.2001 in Kraft getretene Neufassung des Mietrechts nicht mehr vor.
Wie wird in der Praxis seitdem mit dieser Problematik umgegangen?
Wegen dieser für beide Vertragsparteien nachteiligen Rechtslage hat die Praxis im Laufe der Zeit das Institut des Kündigungsverzichts (auch Kündigungsausschluss genannt) entwickelt. Mit der Frage, unter welchen Voraussetzungen und für welchen Zeitraum ein solcher Kündigungsverzicht wirksam abgeschlossen werden kann, musste sich in den letzten Jahren mehrfach der Bundesgerichtshof (BGH) befassen. Eine der praktisch bedeutsamsten Entscheidungen ist das BGH-Urteil v. 6.4.2005 (VIII ZR 27/04, WuM 2005, 346). Danach ist ein beiderseitiger Kündigungsverzicht auch dann zulässig, wenn er formularmäßig, das heißt zum Beispiel in vorgedruckter Form erfolgt – allerdings nur für die Dauer von maximal 4 Jahren. Dementsprechend wurde zwischen Vertragsparteien häufig vereinbart, dass eine Kündigung erstmalig nach Ablauf von vier Jahren seit Mietbeginn unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist zulässig sein soll.
Was hat sich daran jetzt geändert?
Eine solche Vereinbarung hat der BGH in einem aktuellen Urteil für unwirksam erklärt – aus zwei Gründen: Zum Einen muss die Berechnung des 4-Jahres-Zeitraumes nach Auffassung des BGH nicht erst bei Beginn des Mietverhältnisses, sondern bereits im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses (der i. d. R. einige Zeit vor Mietbeginn liegt) beginnen. Zum Anderen darf der Zeitraum zwischen Vertragsabschluss und dem Zeitpunkt, zu dem der Mieter den Vertrag erstmals beenden kann, vier Jahre nicht überschreiten. Unwirksam ist daher eine Formulierung, wonach der Mieter erst nach Ablauf von vier Jahren kündigen darf, das heißt der Mieter an den Mietvertrag vier Jahre zuzüglich seiner gesetzlichen Kündigungsfrist von drei Monaten gebunden bleibt. Die Reduktion einer zu langen Vertragsbindung auf einen zulässigen Zeitraum von vier Jahren kommt nach Auffassung des BGH wegen des grundsätzlichen Verbots der geltungserhaltenden Reduktion von Formularklauseln von vorne herein nicht in Betracht. Dies hat zur Folge, dass eine Vereinbarung auch bei nur geringfügigem Überschreiten des 4-Jahres-Zeitraums insgesamt unwirksam ist.
Gilt dieses Urteil für alle Verzichtsvereinbarungen?
Für einen Kündigungsverzicht, der individuell ausgehandelt wurde, gilt diese Rechtsprechung nicht. Ein individuell vereinbarter Kündigungsverzicht ist uneingeschränkt wirksam, das heißt ohne zeitliche Beschränkung und auch dann, wenn der Verzicht einseitig durch den Mieter erklärt worden ist (so bereits BGH, Urteil v. 22.12.2003, VIII ZR 81/03, WuM 2004, 157). Allerdings erkennen die Mietgerichte Individualvereinbarungen meist nicht an. Sie unterstellen erfahrungsgemäß jeder Vereinbarung Formularmäßigkeit – unabhängig davon, ob die Vereinbarung im Vordruck oder in einem Zusatzvertrag enthalten ist. Damit wird die Beweislast für das „Aushandeln" der Vereinbarung demjenigen aufgebürdet, der sich auf die Vereinbarung beruft. Dieser Beweis ist in der Praxis jedoch in der Regel nicht zu führen.
Worauf sollte man also bei der Formulierung eines Kündigungsverzichts achten?
Bei der Formulierung eines Kündigungsverzichts sollten daher sämtliche Vorgaben der BGH-Rechtsprechung beachtet werden. Anderenfalls ist der Verzicht insgesamt unwirksam mit der Folge, dass beide Vertragsparteien – der Vermieter allerdings nur mit gesetzlichem Kündigungsgrund – den Mietvertrag unter Einhaltung der gesetzlichen dreimonatigen Kündigungsfrist kündigen können (BGH, Urteil v. 8.12.2010, VIII ZR 86/10).
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