Frage der Außenwirkung
Ob man in einer gemieteten Wohnung arbeiten darf oder nicht hängt vor allem davon ab, ob es nach außen hin sichtbar ist
KARLSRUHE „Home-Office“ heißt es neudeutsch, das „Büro zu Hause“. Immer mehr Arbeitgeber bieten ihren Angestellten die Möglichkeit, in der eigenen Wohnung zu arbeiten. Und auch viele Freiberufler und Existenzgründer gehen ihrer Tätigkeit am häuslichen Schreibtisch nach. Ob der Vermieter eine gewerbliche Nutzung verbieten darf oder dulden muss, war in den vergangenen Jahren oft eine Frage für die Gerichte. In diesem Jahr hat der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe ein Grundsatzurteil gefällt: Wichtigstes Kriterium ist die Außenwirkung der geschäftlichen Tätigkeit. Das Urteil wird oft als vermieterfreundlich aufgefasst. Doch auch der Deutsche Mieterbundbegrüßt die Entscheidung des BGH, da sie den Mietern Vorteile einräumt und klare Richtlinien vorgibt.
Die Karlsruher Richter hatten entschieden, dass ein Vermieter freiberufliche oder gewerbliche Aktivitäten seines Mieters in der Mietwohnung nicht grundsätzlich erlauben muss, wenn die Tätigkeit nach außen hin sichtbar ist. Eine Nutzung sei jedoch zu dulden, wenn andere Mieter nicht gestört und die Wohnung nicht mehr als bei normalem Wohnen abgenutzt wird (Az.: VIII ZR 165/08).„Selten gab es vom BGH ein Urteil, das so klare Leitlinien vorgibt“, freut sich Ruth Breiholdt, Fachanwältin für Miet- und Wohnungseigentumsrecht. Bisher mussten die Gerichte über jeden Einzelfall entscheiden. „Das Urteil besagt, dass in dem Moment, in dem geschäftliche Aktivitäten nach außen treten, ein Einverständnis des Vermieters vorliegen muss“, erklärt die Anwältin. „Nach außen“ tritt die Geschäftsaktivität dann, wenn etwa Mitarbeiter ein und aus gehen oder wenn Kundenverkehr herrscht.
„Als Lehrer brauche ich schon deswegen keine Genehmigung vom Vermieter, weil keine gewerbliche Tätigkeit ausgeführt wird“, erläutert Andreas Stücke von der Eigentümer-Gemeinschaft Haus und Grund. Alles, was die Wohnung nicht beschädigt und die Nachbarn nicht stört, muss vom Vermieter erlaubt werden. Autoren, Grafiker, Journalisten und alle, die „im stillen Kämmerlein“ vor sich hinarbeiten, dürften also keine Probleme mit ihrem Vermieter bekommen. Anders sieht es aus bei Gewerben, die beispielsweise Kunden empfangen. „Ob der Vermieter die Arbeit eines Hellsehers oder Anwalts in der Wohnung genehmigen muss, hängt davon ab, ob die Nachbarschaft belästigt wird“, erklärt Ulrich Ropertz vom Deutschen Mieterbund.
Wie viel Kundenverkehr „zu viel“ ist, kann kaum beantwortet werden. „Was eine Störung ist, lässt sich nicht abstrakt, sondern nur im Einzelfall festlegen“, sagt Thomas Hannemann, Anwalt für Miet- und Immobilienrecht. Ablehnen kann der Vermieter eine Genehmigung immer dann, wenn durch die berufliche Tätigkeit eines Mieters auch die Hausordnung verletzt wird. Ein Musiker, der in seiner Wohnung Musikunterricht geben möchte, darf also nicht mit einer Duldung rechnen.
Was erlaubt ist und was der Vermieter nicht dulden muss, hängt also immer davon ab, wie viel die Nachbarn von der geschäftlichen Tätigkeit mitbekommen. „Mein Ratschlag ist, immer mit dem Vermieter zu sprechen, wenn man die Wohnungsnutzung ändert. So kann man sich viel Ärger ersparen“, sagt Hannemann. Dazu reicht zuerst eine mündliche Kontaktaufnahme. „Es empfiehlt sich jedoch, die Bestätigung dann auch schriftlich festzuhalten.“
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