Zoff um BMW-Standort
Kalifornische Arbeiter müssen sich darauf einstellen, ab September ohne Job dazustehen. Gewerkschaft protestiert, verweist auf öffentliche Gelder für den Konzern im Krisenjahr 2008
Ontario/Kalifornien - Janice Atraiza ist voller Wut auf BMW. „Mein Mann hat zehneinhalb Jahre für BMW gearbeitet”, sagt sie, „jetzt wissen wir nicht, wie wir uns und unsere acht Kinder mit nur einem Einkommen ernähren sollen.” Zusammen mit Familien anderer Beschäftiger ist sie deswegen zur Anti-BMW-Demo nach Los Angeles gekommen.
„BMW: Das nicht zu übertreffende Elend” haben Beschäftigte auf ihre Plakate geschrieben, mit denen sie gegen den Autohersteller protestieren. Die Belegschaft bekommt Unterstützung durch die Presse: „Jeder arbeitende Amerikaner sollte angesichts dessen, was BMW macht, bestürzt und erschrocken sein”, schreibt die „Los Angeles Times”. Der Grund des Ärgers: Ende August will BMW ein Auslieferungslager im kalifornischen Ontario outsourcen. Die 71 Beschäftigten zittern um hren Job. Noch am Tag der Schließung, berichtet die Gewerkschaft, soll das Lager erneut aufmachen – mit einer komplett neuen Belegschaft aus Billiglöhnern.
Stimmt nicht, heißt es zu den Vorwürfen in der Münchner Unternehmenszentrale. Es gehe gar nicht in erster Linie um niedrigere Löhne. „Wir gliedern in vielen Ländern unsere Logistikzentren an Firmen aus, die darauf spezialisiert sind.” Wer den Standort in Ontario übernehme, sei noch gar nicht klar – und überhaupt werde noch mit der Gewerkschaft über die Details verhandelt. Es sei durchaus möglich, dass der neue Betreiber einen Teil der bisherigen Belegschaft übernehmen werde – zu welchen Konditionen, müsse sich noch zeigen.
Die Beschäftigten fühlen sich trotzdem um den Lohn ihrer Loyalität gebracht: Viele sind schon Jahrzehnte bei BMW, heißt es. Der 53-jährige Tim Kitchen etwa 32 Jahre, der Junior der Belegschaft zehn Jahre. „Ab dem 31. August wird meine Familie keine Krankenversicherung mehr haben”, sagt Robert Cota. „Ich werde die College-Ausbildung meiner Kinder nicht finanzieren können.”
Die Betriebsräte und die örtliche Presse mutmaßen, BMW wolle die Belegschaft vor allem deswegen loswerden, weil viele Mitarbeiter Mitglieder in einer der großen Autogewerkschaften sind und deswegen Anspruch auf höhere Löhne haben. Die US-Autogewerkschaften kämpfen seit Jahren um den Erhalt ihrer Macht, mussten aber viele Niederlagen hinnehmen. Stark waren sie traditionell im Nordosten der USA, doch deutsche Hersteller wie Daimler und BMW gingen in den Süden und Südosten der USA, wo die Menschen eher den Gottesdienst besuchen als an Gewerkschaftsversammlungen teilnehmen.
Der schwindende Einfluss der Gewerkschaften und die Bemühungen vieler Firmen, ihre gutbezahlten Facharbeiter loszuwerden, setzen der amerikanische Mittelklasse zu. Genüsslich erinnern die Arbeitnehmer-Vertreter jetzt daran, dass BMW im Krisenjahr 2008 von einem zinsverbilligten Kredit über 3,6 Milliarden Dollar profitierte. „Dieser Kredit der Notenbank wurden von uns nach 90 Tagen zurückgezahlt”, heißt es dazu aber bei BMW. Zudem habe jeder Hersteller diese Möglichkeit in Anspruch nehmen können – nicht nur die Münchner.
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