Wut und Respekt

Zwischen Selbstmitleid und Verschwörungstheorien: Anja Timmermann über die Krise der SPD und ihres Chefs.
von  Abendzeitung

Zwischen Selbstmitleid und Verschwörungstheorien: Anja Timmermann über die Krise der SPD und ihres Chefs.

„Blankgescheuert“ ist noch milde für die Nerven von Kurt Beck. Seine Ausbrüche zeigen (mehr als ihm lieb ist), wie katastrophal sein Stand ist. Und wie sehr seine Wahrnehmung und die Realität auseinanderklaffen.

Da ist die peinliche Pose, nie sei jemand in der Bundesrepublik so fertiggemacht worden wie er. Da ist die verschwörungswitternde Anklage eines „Vernichtungsfeldzuges“. Und da ist der Satz, man möge ihn doch ernst nehmen – wenn man so etwas einfordern muss, ist nicht mehr viel zu retten. Ernst genommen wird man nicht auf Befehl oder Wunsch, sondern wegen dem, was man tut und sagt.

Sicher hat die SPD eine gewisse Neigung dazu, sich an ihren Vorsitzenden zu reiben. Aber, bei aller Kritik, Respekt wurde Becks Vorgängern immer entgegengebracht. Heute Freude sich die Linken, dass der Parteichef brav tut, was sie sagen; die Rechten basteln bisher fruchtlos an Plänen, ihn loszuwerden; und die SPD-Wähler hoffen in ihrer übergroßen Mehrheit, dass er wirklich nicht Kanzlerkandidat wird.

„Feige“ nennt Beck seine partei-internen Kritiker. Mutig ist es in der Tat nicht, anonym seine Meinung zu sagen. Aber wäre es ihm lieber, die SPD-Granden würden laut aussprechen, was sie von ihm halten? Sie schweigen, weil sie wissen, dass alles andere der Partei noch mehr schaden würde. Aber sie wissen auch, dass Beck nicht die Zukunft der SPD ist.

Es geht nur noch darum, welcher Zeitpunkt der noch am wenigsten ungünstige für seine Entmachtung ist.

Die Autorin ist Politikredakteurin der Abendzeitung

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