Wundertüten-Fußball

"Die Leidenschaft, nicht die Klasse, hielt die DFB-Elf im Turnier." Patrick Strasser, der EM-Reporter der AZ ist seit fünf Wochen täglich beim DFB-Team, wähnt die Nationalelf am Ziel.
Aller Anfang war Berlin. Da standen sie am 9. Juli 2006. Richtiger Tag, richtige Stadt. Falsche Uhrzeit, falscher Ort. Es war der Tag des WM-Finales 2006, das Stunden später stattfand. Die Sommermärchenklinsmänner wurden am Brandenburger Tor gefeiert für Platz drei, für eine mitreißende Stimmungsmache, für ein großes Gefühl. Der Anstoß für eine neue Zeit – der deutsche Fußball war neu entzündet. Die WM als Olympia der Kicker. Es galt, die Sommermärchen- Flamme bis Wien zu tragen.
Den Weg durch die Quali legte Joachim Löw lässig zurück. Der Weg zum Finale am Sonntag erfolgte mal über Schleichwege und Seitenstraßen, mal durch die Mitte. Die Polen ließen sie einfach stehen, gegen Kroatien stolperten sie, die Flamme drohte angesichts des Cordoba-Fluchs zu erlöschen, Kapitän Ballack rettete die Fackel gegen harmlose Österreicher ins winddichte Versteck. Die Portugiesen wurden staunend zurückgelassen, den aufmüpfigen Türken gezeigt: Wer zuletzt trifft, trifft am besten.
Die Leidenschaft, nicht die Klasse, hielt die DFB-Elf im Turnier. Sich selbst ein Rätsel, unberechenbar, spielten sie Wundertüten-Fußball. Die einzigen Konstanten waren der Bartwuchs von Christoph Metzelder und das Feuer aus Wille und Effizienz. Kurz zusammengefasst: Wir sind Turnier. Nun glauben 73 Prozent der Deutschen an den Titel. Am Montag soll in Berlin wieder gefeiert werden. Gleiche Stelle, gleiche La Ola. Diesmal mit etwas Greifbarem zum guten Gefühl. Mit dem Pokal.