Wirtschaftsweiser für kräftigere Lohnsteigerungen
DÜSSELDORF - Arbeitnehmer sollten nach Meinung des Wirtschaftsweisen Peter Bofinger kräftigere Lohnsteigerungen von mindestens drei Prozent bekommen.
Forderungen der Arbeitgeber nach maßvollen Lohnabschlüssen erteilte der Volkswirtschaftsprofessor in der «Rheinischen Post» (Montag) eine klare Absage. In den vergangenen zehn Jahren sei die Kaufkraft der Beschäftigten in Deutschland nicht gestiegen, sagte er am Montag im Audiodienst der Nachrichtenagentur dpa.
Bofinger verwies auf die Spannungen innerhalb der Euro-Zone. Die Lohnzurückhaltung in Deutschland habe dazu beitragen, dass die Volkswirtschaften auseinanderdrifteten, erklärte das Mitglied des sogenannten Rats der Wirtschaftsweisen, der offiziell Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (SVR) heißt.
Der Unterschied in Europa müsse durch höhere Lohnabschlüsse in Deutschland und niedrigere Abschlüsse in den weniger wettbewerbsstarken Ländern Südeuropas ausgeglichen werden. Daran hingen auch die Erfolgsaussichten der Bemühungen, die Haushalte zu sanieren.
Die Kaufkraft der Beschäftigten in Deutschland sei in den vergangenen zehn Jahren nicht gestiegen, erläuterte Bofinger. Im gleichen Zeitraum seien aber die Exporte um 70 Prozent preisbereinigt gestiegen und hätten für kräftige Gewinne gesorgt, sagte er im dpa- Audiodienst. Es habe eine massive Umverteilung zu Lasten der Beschäftigten stattgefunden.
«Für die ausgeprägte Lohnzurückhaltung der letzten Jahre gab es keine Rechtfertigung», erklärte der Regierungsberater. Auch die Gewerkschaften hätten sich zu stark auf die Erhaltung der Arbeitsplätze fixiert. Eine radikale Änderung der Tarifpolitik sei aber nicht zu erwarten: «Ich fürchte, dass wir in Deutschland nicht so schnell von dieser Politik der Lohnmoderation wegkommen.»
Nach Berechnungen der gewerkschaftlichen Hans-Böckler-Stiftung sind die realen Bruttolöhne und Gehälter sechs Jahre in Folge nicht gestiegen. Zuvor hatten sie auf dem Niveau von 2000 stagniert. Die erzielten Tarifsteigerungen wurden demnach regelmäßig von der Teuerung aufgebraucht.
In der jüngsten Wirtschaftskrise hatten Arbeitszeitverkürzungen zwar dafür gesorgt, dass die pro Stunde gezahlten Entgelte stiegen. Bei den Gesamtgehältern und -löhnen fehlten am Jahresende aber etliche Zuschläge und Überstundenvergütungen. Für das erste Quartal dieses Jahres ermittelte das Statistische Bundesamt ein Reallohn-Plus von 0,8 Prozent.
dpa
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