Wirtschaft und Moral: "Ethik muss ein Produktionsfaktor werden"

Zockende Börsianer, unredliche Banker, gierige Manager - sie haben die Wirtschaft in die größte Krise aller Zeiten geführt, sagen Kritiker. Auch der Papst hat das ungezügelte Gewinnstreben der Wirtschaft jetzt gegeißelt. Was läuft falsch im Wirtschaftssystem? Die AZ sprach darüber mit dem Ethik-Experten Ulf Posé
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Börsianer an der Wallstreet: "Man blendet die Folgen seines Handelns aus."
dpa 2 Börsianer an der Wallstreet: "Man blendet die Folgen seines Handelns aus."
Ulf Pose (61) ist Präsident des Ethikverbands der deutschen Wirtschaft.
abendzeitung 2 Ulf Pose (61) ist Präsident des Ethikverbands der deutschen Wirtschaft.

MÜNCHEN - Zockende Börsianer, unredliche Banker, gierige Manager - sie haben die Wirtschaft in die größte Krise aller Zeiten geführt, sagen Kritiker. Auch der Papst hat das ungezügelte Gewinnstreben der Wirtschaft jetzt gegeißelt. Was läuft falsch im Wirtschaftssystem? Die AZ sprach darüber mit dem Ethik-Experten Ulf Posé

Wirtschaft ohne Moral zerstört Vermögen und schafft Armut - mit diesen Aussagen hat Papst Benedikt XIV. in seiner ersten Sozialenzyklika die Wirtschaft an den Pranger gestellt. Manager müssten sich wieder mehr am Wohl der Arbeiter und der Kunden orientieren. Ulf Posé, Präsident des Ethikverbands der deutschen Wirtschaft, erklärt im Gespräch mit der AZ, wie das gehen kann.

AZ: Herr Posé, fehlt der Wirtschaft die Moral?

ULF POSÉ: Das Problem ist nicht, dass wir zu wenig Moral oder Werte in der Wirtschaft haben. Sondern, dass sich immer weniger Menschen daran halten. Wir erleben eine neue Unredlichkeit. Das heißt: Man blendet die Folgen seines Handelns aus. Früher haben sich Wirtschaftsführer viel mehr Gedanken darüber gemacht, welche Folgen ihr Handeln für andere hat - für Kunden oder Arbeitnehmer. Heute lautet die Maxime: Wie kann ich für mich das Beste rausholen?

Woran liegt das?

Die Menschen folgen heute eher einer Gesinnungsethik als einer Verantwortungsethik. Das heißt: An oberster Stelle steht das Ziel, das ich erreichen will. Welche Folgen mein Handeln für andere hat, rückt in den Hintergrund - obwohl ich dafür die Verantwortung trage.

Gilt das auch für den Banker, der dem arglosen Kunden eine hochriskante Anlage andreht?

Natürlich. Auch der ignoriert, dass sein Handeln dem Kunden möglicherweise schadet. Ein Grund dafür ist, dass er in einem falschen Anreizsystem arbeitet. Wer für kurzfristige ökonomische Erfolge belohnt wird, der denkt nicht langfristig. Das müsste er aber, wenn er die Folgen für den anderen in Betracht ziehen würde.

Also brauchen wir neue Anreizsysteme? Oder mehr Kontrolle des wirtschaftlichen Handelns?

Ich glaube nicht, dass wir mit mehr Kontrolle etwas erreichen. Es gibt genügend Normen, Regeln und Gesetze. Was wir brauchen ist mehr Bewusstsein für moralisches Handeln. Ethik muss ein Produktionsfaktor in den Firmen werden. Das heißt vor allem: Bei der Auswahl von Managern darf man nicht nur auf ihre fachliche Qualifikation achten. Karriere darf in einem Unternehmen nur der machen, der die sozialen Fähigkeiten dazu mitbringt. Das heißt: Er muss bei seinen Mitarbeitern für Vertrauen sorgen können. Und: Er muss chararakterlich so gefestigt sein, dass er ethische Grenzen trotz Gewinndrucks nicht überschreitet.

Interview: A. Jalsovec

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