Wird Gas bald knapp?

MÜNCHEN/KIEW - Im Streit mit Russland warnt die Ukraine vor Engpässen im Westen. In zwei Wochen könnte es soweit sien. Experten jedoch geben Entwarnung: Die Reserven sind groß genug.
Noch sorgt der Gasstreit zwischen Russland und der Ukraine in Deutschland nur auf politischer Ebene für Aufregung. Doch bald könnten auch bei uns die ersten handfesten Auswirkungen spürbar sein.
Am Wochenende machte die Ukraine klar: Weigere sich Russland weiter, das Nachbarland zu beliefern, habe das in spätestens zwei Wochen Folgen für die europäischen Kunden. Es sei eine gewisse Menge Gas nötig, damit die Pipelines nicht automatisch stillgelegt würden, hieß es.
„Man braucht eine bestimmte Gasmenge, um den Druck in den Leitungen aufrecht zu erhalten“, erläuterte Holger Krawinkel der AZ, Energieexperte beim Bundesverband der Verbraucherzentralen. Russland liefert aber wegen des Streits um offene Rechnungen kein Gas mehr an die Ukraine (AZ berichtete). Kiew nutzt deshalb einen Teil des Gases, das für andere Länder bestimmt ist, um das Leitungssystem betriebsbereit zu halten. In Rumänien, Ungarn, Polen und Bulgarien kam daher schon am Wochenende weniger russisches Gas an.
Dem Westen droht Ähnliches: Über die Pipeline durch die Ukraine fließt rund ein Fünftel des westeuropäischen Gasverbrauchs. Auch Deutschland bezieht daraus Erdgas (siehe Grafik unten). Dennoch glaubt Experte Krawinkel: Ein Rückgang der Lieferungen wegen des Gas-Streits hätte „keine dramatischen Auswirkungen für Deutschland“.
Deutschland habe eine „so große Kapazität an Gasspeichern, dass der Streit kaum zu einem Engpass bei uns führen wird“. Mit Auswirkungen auf den Gaspreis rechnet Krawinkel ebenfalls nicht. „Das gelagerte Gas ist ja schon bezahlt.“ Auch der Energie-Branchendienst Verivox erwartet durch den Gas-Streit „keine Auswirkungen auf die Verbraucher“. Grund seien langfristige Lieferverträge und hohe Lagerkapazitäten. Zuvor hatte das Bundeswirtschaftsministerium betont: Die 46 Untertage-Gasspeicher der deutschen Energieversorger seien „gut gefüllt“. Darin lagert rund ein Viertel des Jahresbedarfs.
Experte Krawinkel kritisierte dennoch die Versorgungspolitik der Konzerne. Sie sei zu einseitig auf Pipelines ausgerichtet. Großbritannien oder Frankreich setzten dagegen schon lange auf Flüssiggas. Es wird in Schiffen transportiert. „Das gehört längst auch in Deutschland ausgebaut“, so Krawinkel.
Umso mehr, als die Eigenproduktion an Erdgas hier zu Lande seit Jahren rückläufig ist. Das vorwiegend in Niedersachsen geförderte deutsche Gas deckt derzeit gut 16 Prozent des Eigenbedarfs. Vor vier Jahren waren es immerhin noch 19 Prozent.
aja