Wir zahlen für die Firmen

Von wegen Öko-Energie – wer die großen Kostentreiber beim Strompreis sind, zeigt Ihnen die AZ
Anja Timmermann |
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Windkraft in Deutschland: Das ist die mittlerweile kostengünstigste Art, erneuerbaren Strom zu produzieren. Der Anteil von Öko-Energien liegt laut Umweltbundesamt derzeit bei 16,8 Prozent.
ap Windkraft in Deutschland: Das ist die mittlerweile kostengünstigste Art, erneuerbaren Strom zu produzieren. Der Anteil von Öko-Energien liegt laut Umweltbundesamt derzeit bei 16,8 Prozent.

Von wegen Öko-Energie – wer die großen Kostentreiber beim Strompreis sind, zeigt Ihnen die AZ.

Berlin - Jetzt ist es amtlich: Die Strompreise werden 2013 deutlich steigen – wegen der Erhöhung der EEG-Umlage. Sie steigt offiziell von 3,59 Cent pro Kilowattstunde auf 5,277 Cent, 47 Prozent mehr. Wie und ob das für den Verbraucher abgemildert werden kann, wird jetzt in der Politik debattiert (siehe Kasten). Die einfachste Abmilderung wäre freilich, alle gleichmäßig zahlen zu lassen: Denn der Löwenanteil der Erhöhung geht nicht auf die Energiewende zurück, sondern darauf, dass sich immer mehr Firmen von der vollen Umlage befreien lassen. Und der Verbraucher muss die Lücke bezahlen.

Wie funktioniert die Umlage? Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) sieht vor, dass alle Betreiber von Öko-Energie-Anlagen die Differenz zum Marktpreis erstattet bekommen. Aktuell beträgt das Gesamtvolumen 20,36 Milliarden Euro – Tendenz wachsend, weil es immer mehr Öko-Anlagen gibt. Diese Summe wird mit der EEG-Umlage, die auf den Strompreis aufgeschlagen wird, beglichen. Gleichzeitig zahlen aber immer weniger Firmen die volle Umlage, sodass die Summe eben auf die verbleibenden Schultern (Privatkunden und kleine Firmen) umgelegt wird.

Warum gibt es eigentlich Extrawürste für die Firmen? Die Ausnahmemöglichkeit war noch von Rot-Grün „als tatsächliche Härtefallregelung“ eingeführt worden, so Andree Böhling, Energieexperte bei Greenpeace: für Firmen, die erstens einen besonders hohen Energiekostenanteil haben und zweitens im internationalen Wettbewerb stehen. Schwarz-Gelb hat dann die Nachlassregeln immer weiter gelockert, heute spielt etwa das Wettbewerbskriterium quasi keine Rolle mehr. Allein seit der letzten Aufweichung zum 1. Januar 2012 hat sich die Zahl der Rabattanträge verdoppelt.

Was heißt das für den Strompreis? Der Fakt, dass die Privatkunden die Rabatte für die Firmen auffangen müssen, ist der größte Faktor für die aktuelle Steigerung, sagt Böhling: Von den 1,6 Cent Erhöhung gehen 0,6 bis 0,7 Cent allein auf die Finanzierung der Rabatte zurück. „Nur 0,2 Cent sind für den eigentlichen Zweck, den Ausbau der erneuerbaren Energien.“ Der Greenpeace-Experte ärgert sich: „So erscheint erneuerbarer Strom viel teurer, als er ist.“ Und: „Deswegen ist es widersinnig, jetzt über eine Deckelung etwa der Wind-Vergütung zu reden – das hätte einen Mini-Effekt.“ Der Rest der Steigerung stammt aus mehreren anderen Faktoren, etwa Änderungen im CO2-Zertifikatshandel.

Und wer kriegt alles Ausnahmen? Angesichts der immer neuen Lockerung profitieren immer mehr Firmen von dem Nachlass: Sie zahlen aktuell nur 0,05 Cent (statt jetzt noch 3,59 Cent wie normale Verbraucher), also einen winzigen Bruchteil. Dazu gehören Flughäfen wie der in Stuttgart und Berlin, Erdöl-Förderer wie Exxon, Braun- und Steinkohle-Firmen, Geflügelproduzenten, Brauereien. Unter den Neuanträgen für 2013, sich von den Netzentgelten befreien zu lassen (eine andere Art des Rabatts), sind Kinos, Golfplätze und Pflegeheime. Gesamtkosten der Nachlässe: fünf Milliarden Euro.

Gibt es Unterschiede bei den Erneuerbaren? Ja. Wind zum Beispiel ist mittlerweile die kostengünstigste Art, erneuerbaren Strom zu produzieren. Gebaut werden aber vor allem Photovoltaik-Anlagen. Hier entsteht auch ein gewisses Gerechtigkeitsproblem: Hausbesitzer, die sich eine Solaranlage aufs Dach schrauben, bekommen ihre Vergütung aus dem EEG-Topf. Bezahlen müssen es die Mieter, und zwar auch Hartz-IV-Empfänger.

 


 

Mindestens 60 Euro mehr im Jahr: Wie soll das aufgefangen werden?

Jetzt liegen die Zahlen auf dem Tisch: Die EEG-Umlage steigt um 47 Prozent. Das verteuert die Stromkosten für einen durchschnittlichen Haushalt mit einem Jahresverbrauch von 3500 Kilowattstunden um 60 Euro, ohne Mehrwertsteuer. Die Aufregung in der Politik war gestern entsprechend groß: „Das ist ein alarmierendes Signal“, so FDP-Wirtschaftsminister Philipp Rösler. „Jetzt müssen wir raus aus dieser Planwirtschaft.“ Er forderte ein Auslaufen der Ökostromförderung.

Umweltminister Peter Altmaier (CDU) erklärte, die Umlage hätte nicht so stark steigen müssen, „wenn wir unsere Hausaufgaben gemacht hätten“. Er plant eine Reform der EEG-Umlage, das könne allerdings noch gut ein Jahr dauern. Die Grünen und auch der Verband der Stadtwerke forderten, die Ausnahmen für die Industrie (siehe oben) zu überdenken. Da hielt FDP-Mann Rösler sofort dagegen: Das gefährde Arbeitsplätze.

Linke-Fraktionschef Gregor Gysi erklärte, die Energiewende sei zum Scheitern verurteilt, wenn die Regierung die Kosten nicht gerechter verteile. Der Sozialverband forderte einen Runden Tisch gegen das „Strompreisdesaster“. Es müsse Hilfszahlungen für Menschen mit niedrigen Einkommen geben, insbesondere für Hartz-IV-Bezieher. Altmaier dagegen lehnt Finanzspritzen für die Kunden ab: Die Bürger sollten ja gerade zum Stromsparen animiert werden. Und ein SPD-Mann riet den Verbrauchern, jetzt erst recht zu einem günstigeren Anbieter zu wechseln.
 

 

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