Wir und unsere Daten
Wer macht wo was? Millionen beantworten die Frage selbst: Frank Müller, AZ-Aktuell-Chef, über das gekippte Urteil zur Datenspeicherung
Die Karlsruher Richter haben mit ihrem neuesten Urteil das getan, wofür sie da sind: Sie haben das Grundgesetz ernst genommen. In der Tat lässt der absolute Ton des Artikels 10 bei der Beurteilung der Vorratsdatenspeicherung wohl keine andere Wahl: Wenn das Fernmeldegeheimnis unverletzlich ist, darf man eben nicht ein ganzes Volk vorauseilend zum Verdachtsfall erklären. Überraschend an diesem Urteil ist allenfalls der harsche Ton: Ein Gesetz mit sofortiger Wirkung für nichtig zu erklären, das ist die höchstmögliche Eskalationsstufe für Karlsruhe.
Umso auffälliger ist der praktische Gegensatz, in dem das Urteil zur Lebenswelt vieler Deutscher im Netz steht. Während eine nur sechsmonatige Datenspeicherung gegen das Grundgesetz verstoßen soll, haben viele Deutsche ganz offenbar überhaupt kein Problem damit, online Spuren für ein ganzes Leben zu hinterlassen. Facebook und Twitter sind erst der Anfang einer Netzkultur, die den Begriff „privat“ völlig neu definiert. Wer macht wo gerade was – in den neuen Diensten, die sich „Social Media“ nennen, geben Millionen die Antworten auf diese Fragen völlig freiwillig und haben auch noch Spaß dabei.
Deswegen atmet das Urteil aus Karlsruhe auch den Geist einer vordigitalen Zeit – und passt insofern gut in die eher unbeholfenen Angriffe der Berliner Regierung auf Internetunternehmen wie Google. Die Fragen der Zukunft sind andere: Wie gehen wir mit unseren Daten um, wem geben wir was preis? Darauf kann es keine Antworten aus Karlsruhe geben. Das muss jeder selbst entscheiden.
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