Winterkorn: "Ich bin ja kein Software-Ingenieur"

Berlin - Als Martin Winterkorn am Donnerstag in Berlin seinen Gang in den Untersuchungsausschuss antritt, weiß er: Heute geht es um viel. Für ihn persönlich, aber auch für den VW-Konzern, der fast eineinhalb Jahre nach dem Beginn der Abgas-Affäre trotz aller Zukunftspläne noch immer mit den Folgen ringt.
Äußerlich unbewegt, doch mit ernster Miene kommt der Ex-VW-Chef in den Anhörungssaal des Bundestags. Begleitet von zwei Anwälten lässt er das Blitzlichtgewitter geduldig über sich ergehen. Der Andrang draußen war so groß, dass ein Sicherheitsmann schon mit Räumung drohte. Aber "Wiko", wie man ihn konzernintern nannte, kann durch die Hintertür schlüpfen.
Kein Wort beim Betreten des Raumes. Dann allerdings eine überraschend lange Erklärung. Winterkorn gibt sich demütig. "Sie stellen nun zurecht viele Fragen", sagt er an den Ausschussvorsitzenden Herbert Behrens (Linke) gerichtet. "Wie konnte so etwas passieren? Und, die Kardinalfrage: Wer ist dafür verantwortlich?"
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Genau das interessiert nicht nur die Parlamentarier. Zwei Stunden stellt sich Winterkorn ihren Fragen – deutlich länger, als von vielen Beobachtern erwartet, die zuvor mit einer kompletten Aussageverweigerung gerechnet hatten.
Dennoch: Der Termin ist dem 69-Jährigen sichtlich unangenehm. Der einst bestbezahlte Manager aller Dax-Konzerne, gerade erst Pensionär mit üppiger Rente von 3.100 Euro pro Tag geworden, muss sich heiklen Fragen stellen. Dabei behauptet er als langjähriger "Mr. Qualität" und oberster Technik-Freak fest, nichts gewusst zu haben: "Ich bin ja kein Software-Ingenieur." Winterkorn versucht, die Dinge aus seiner Sicht zu schildern. Zumindest bei den Punkten, wo es nicht um Strafrechtliches wie den Vorwurf der Marktmanipulation geht, den Staatsanwälte in Braunschweig untersuchen. Wenn er auf Wissen oder Nichtwissen über illegale Abgas-Praktiken bereits vor dem Sommer 2015 angesprochen wird, macht er mit Verweis auf "den Vorgang in Braunschweig" dicht.
Ansonsten ist er um langsames Formulieren bemüht – immerhin: "Dass ein Einsatz verbotener Software ausgerechnet in unseren Motoren passiert, muss in Ihren Ohren wie Hohn klingen. Das geht mir genauso."
Der Ex-Chef sagt, dass Ingenieure keine Angst vor ihm gehabt hätten
Der einstige Erfolgsmensch, der Ende September 2015 nach dem Bekanntwerden des ganzen Ausmaßes von "Dieselgate" zurücktrat, ist nicht mehr derselbe. Früher gern im Rampenlicht, Zigarre schmauchend zum Ausklang stressiger Messeabende, gewöhnt daran, dass viele zu ihm aufblicken. Und heute? Nachdem er sein Vorstandsamt niedergelegt hatte, zog sich Winterkorn fast ganz zurück. Auftritte wie bei Veranstaltungen des FC Bayern, wo er im Aufsichtsrat sitzt, sind selten. Bis zu dieser – erzwungenermaßen – großen politischen Bühne in Berlin.
Hatte das späte Bekanntwerden des Skandals auch damit zu tun, dass Ingenieure vor ihm zitterten? Winterkorn verneint: "Anders als Sie in der Zeitung lesen mögen, gab es kein Schreckensregime. Niemals hatte ich den Eindruck, dass man sich scheute, mir unangenehme Dinge zu sagen." Nicht wenige im Konzern glauben, der Chef hätte damals gar nicht sofort offen Manipulationen eingestehen sollen – das Einräumen eines schlichten Fehlers hätte wohl gereicht.
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Die Opposition vermutet, dass auch die Politik eine Rolle gespielt hat. Doch Martin Winterkorn sagt: "Ich persönlich habe mit der Bundesregierung über das Thema Stickoxid nicht gesprochen."
Geht es um seine persönliche Integrität, wird er dagegen dünnhäutig. Angesichts seiner Verdienste um VW könne er Anschuldigungen, er sei frühzeitig eingeweiht gewesen, nicht verstehen: "Deshalb schmerzt mich die unsachliche und zum Teil polemische Kritik an meiner Person besonders."
Martin Winterkorns ernüchtertes Fazit: Er müsse eben akzeptieren, "dass mein Name verbunden ist mit der sogenannten Diesel-Affäre". Sagt es – und fährt in einem schwarzen Audi A 8 davon.