Wiedereröffnung des Kaufhauses Schickedanz: Die kleine Quelle

In Hersbruck hat das Kaufhaus Schickedanz wiedereröffnet. Die Kunden strömen zum Laden - es werden aber auch Witze über die Schickedanz Armut gerissen.
von  Abendzeitung
Ein Mitarbeiter kurz vor der Eröffnung
Ein Mitarbeiter kurz vor der Eröffnung © AP

HERSBRUCK - In Hersbruck hat das Kaufhaus Schickedanz wiedereröffnet. Die Kunden strömen zum Laden - es werden aber auch Witze über die Schickedanz Armut gerissen.

Für die „He.-Slips“ gleich neben dem Eingang, das Stück zu 4 Euro, haben die Kundinnen an diesem Tag keine Augen. Sie versuchen, einen Blick auf Leo Herl zu erhaschen. So schaut er also aus, der Mann von der Madeleine, wie man im fränkischen Hersbruck die Quelle-Erbin nennt.

Der Hersbrucker fühlt sich ihr nah. Denn das wiedereröffnete Schickedanz-Kaufhaus steht für den Beginn des Quelle-Imperiums: In Hersbruck hat Grete Schickedanz 1946 ihren ersten Textilladen eröffnet. Da war Tochter Madeleine drei Jahre alt.

Der Hersbrucker Heimat-Standort bedeutete der heute 65-Jährigen immer viel. Doch zur Neu-Eröffnung kam sie nicht. „Sie wäre ja wahnsinnig“, lautet ein Kommentar einer Kundin. Über die Schickedanz-Armut werden auch hier Witze gerissen. Und gleichzeitig stehen die Menschen Schlange: „Schickedanz gehört einfach zu Hersbruck.“

Leo Herl (66) hatte gestern keinen einfachen Job. Dass er dem Chef des Hauses, Harald Herbrig, den goldenen Schlüssel mit besten Wünschen seiner Frau überreicht, interessiert die Journalisten kaum. Nachfragen bleiben freundlich unbeantwortet. Zu viel Häme und Spott hat er zuletzt über seine Frau gelesen, die in einem Interview angab, nur 500 bis 600 Euro zur Verfügung zu haben. Herl ging bald.

„Eine unglückliche Äußerung“, meint Götz Reichel (45), CSU-Stadtrat und Kunde. Er glaubt aber, dass Schickedanz viel an Hersbruck liegt, „die Stadt ist ohne das Kaufhaus nicht vorstellbar“.

Vorstellen konnten sich Quelle und Schickedanz bis Ende letzten Jahres sogar noch weitschweifige „Schickedanz-Arkaden“. Doch die waren nicht mehr finanzierbar. Als das Versandhaus Quelle schon Schlagseite hatte, wurde sogar Gretes „Lädle“ geschlossen – bis Herbrig kam.

Am Donnerstag schien es, als hätten die Kunden seit der Schließung Ende April mit den Hufen gescharrt. Sie strömten, an den Kassen lange Schlangen. „Kratzers Biergarten“ gegenüber warb mit der Eröffnung. Der Ring Stadtwurst kostete nur 2,99 Euro, die Wirtsleute überreichten dem Nachbarn einen Präsentkorb. Wenn die Biergartengäste zur Kaufhaus-Fassade blickten, sahen sie ein Bild von Gustav Schickedanz (1895–1977) und sein Motto „Wollen, Wägen, Wagen“.

Chef Herbrig hat abgewogen und gewagt: Regenschirme, Taschen, Wein, Freizeitkleidung, Küchenutensilien, Bügelbretter, Süßigkeiten verkauft er in Hersbruck. „Für einen Anzug“, so der Ex-Quelle-Manager, „fahren die Kunden nach Nürnberg“.

Das Angebot genügt Brigitte Schulze (70). 30 Jahre arbeitete sie bei Quelle: „In Hersbruck hat ohne Schickedanz etwas gefehlt.“ Auch sie schüttelt über die Schickedanz-Armut den Kopf. „Ich habe die Lupe geholt, weil ich nicht glauben konnte, was in der Zeitung stand.“ Einer anderen Kundin ist’s egal: „Ich kauf immer bei die Quelle“, fränkelt sie. „Seit 30 Jahrn scho.“

Susanne Will

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