Wie viel Chemie muss sein?
MÜNCHEN Millionen für das Draußen-Vergnügen: Am Sonntag beginnt die Sportartikel-Messe Ispo, bei der sich vieles um die richtige Ausrüstung für Sportarten im Freien dreht. Greenpeace hat vor kurzem moniert, viele namhafte Hersteller von Outdoor-Kleidung würden gesundheitsschädliche Chemikalien verwenden.
Die Anbieter weichen auf andere Stoffe aus – allerdings stehen diese bei den Greenpeace-Experten genauso in der Kritik wie das Hersteller-Zertifikat Bluesign. Sie befürchten, dass die eingesetzten Chemikalien die Leber, die Fortpflanzung und das menschliche Hormonsystem schädigen. Wirklich unbedenklich wären wohl nur Regenmäntel, wie wir sie aus Kindertagen kennen – doch in denen schwitzt ein Freizeitsportler unerträglich.
Welche Chemikalien sind für das Outdoor-Vergnügen wirklich nötig? Darüber hat die AZ mit Andreas Marmsoler von Gore gesprochen. Das Unternehmen beliefert Hersteller in der ganzen Welt mit Membranen und Laminaten. In Feldkirchen südlich von München beschäftigt Gore 150 Mitarbeiter.
AZ: Was für Veränderungen haben Sie an Ihren Produkten vorgenommen, um Gesundheitsschäden für die Kunden auszuschließen?
ANDREAS MARMSOLER: Unsere Produkte sind umweltverträglich und für die Kunden sicher. Neu ist, dass wir es als eines der ersten Unternehmen in der Outdoor-Industrie geschafft haben, Perfluoroctansäure (PFOA), die zurzeit von den Behörden geprüft wird, aus unseren Rohmaterialien zu entfernen. Stattdessen verwenden unsere Lieferanten kürzerkettige Fluorchemikalien.
Greenpeace berichtet, die kürzerkettigen Stoffe, besonders PF6, seien genauso schädlich.
Das Bundesinstitut für Risikobewertung hat festgestellt, dass von Bekleidung, die mit fluorierter Imprägnierung ausgestattet ist, keine Gefahr für den Träger ausgeht. Die uns vorliegenden wissenschaftlichen Studien belegen, dass kürzerkettige Chemikalien ein deutlich besseres Umweltprofil aufweisen als PFOA.
Warum verzichten Sie nicht ganz auf Fluorchemikalien?
Wir brauchen sie für die Imprägnierung atmungsaktiver Kleidung. Es gibt zwar andere Verfahren, aber die haben uns in unseren Tests und in der Praxis nicht überzeugt. Wenn wir auf die Stoffe verzichten würden, würde der Abperl-Effekt eines Kleidungsstückes schnell nachlassen. Damit würde sich die Jacke schnell patschnass und kalt anfühlen und die würde keiner mehr anziehen, sondern eine neue kaufen und das erhöht die Umweltbelastung.
Ist es absehbar, dass die Textilforschung ein Imprägnierungsverfahren entwickelt, das ohne Fluorchemie auskommt?
Institute und die Industrie suchen schon lange nach Alternativen. Dabei kommen auch immer wieder neue Methoden der Behandlung heraus. Viele Lösungen, die im Labor wunderbar aussehen, haben sich in Tests und Praxis leider als nicht tauglich für eine langlebige Lösung herausgestellt.
Sie liefern Ihre Laminate und Membranen an Hersteller wie Mammut. Haben Sie keine Sorge, dass Komponenten von Gore zusammen mit anderen, giftigeren Stoffen in Kleidungsstücken verwendet werden und dies auf den Ruf von Gore zurückschlägt?
Nein. Unsere Fertigung ist mit dem Bluesign-System zertifiziert, das strenge Umwelt-Standards setzt. Sehr viele unserer Abnehmer und deren übrige Lieferanten machen das auch. Das bedeutet beispielsweise, dass sie in Kleidung mit Gore Tex auch andere Komponenten wie Reißverschlüsse verwenden, die ebenfalls das Bluesign-Zertifikat tragen. In den nächsten ein, zwei Jahren werden Kunden immer mehr Kleidung kaufen können, die komplett den Bluesign-Anforderungen entsprechen. Int.: sun
- Themen:
- Greenpeace