Wie sicher sind wir vor Finanz-Zockern?

Jerôme Kerviel prellte seine Bank um fünf Milliarden. Ein Experte im AZ-Interview: "Es gibt viele solcher Fälle." - Was man dagegen tun kann. . .
von  Abendzeitung
Trickste Kontrolleure aus: Jerôme Kerviel. Der Franzose verbrannte fünf Milliarden Euro.
Trickste Kontrolleure aus: Jerôme Kerviel. Der Franzose verbrannte fünf Milliarden Euro. © az

Jerôme Kerviel prellte seine Bank um fünf Milliarden. Ein Experte im AZ-Interview: "Es gibt viele solcher Fälle." - Was man dagegen tun kann. . .

MÜNCHEN Dieser französische Broker schockt die Finanzwelt: Jerôme Kerviel verzockte in den vergangenen Monaten 4,9 Milliarden Euro und bescherte seiner Bank Société Générale eine katastrophale Krise. Ausgerechnet am vergangenen Montag, dem Tag des Börsen-Crashes, flog sein Milliarden-Schwindel auf (AZ berichtete). Im Interview mit der Abendzeitung erklärt Finanz-Experte Wolfgang Gerke die wichtigsten Fragen.

AZ: Herr Professor Gerke, ist Jerôme Kerviel schuld am Schwarzen Montag?

WOLFGANG GERKE: Nein, mit Sicherheit ist ein einzelner Händler nicht für den kompletten Kurseinbruch verantwortlich. Schon vor dem Schwarzen Montag gab es eine Stimmung, die in diese Richtung ging. Die fallenden Kurse zwangen allerdings die Société Générale, die von Kerviel verursachten Verluste schnell glattzustellen. Das hat den Trend verstärkt.

Ist das deutsche Bankensystem gegen Betrüger gefeit?

Nein, im Gegenteil: Wir haben es in kleinerer Dimension längst erlebt. Bei der WestLB, der SachsenLB – unter Ausschaltung sämtlicher Sicherheitssysteme. Ich glaube, dass es viele solcher Fälle gibt.

Wie verstecken die Finanz-Zocker ihre illegalen Praktiken vor den Kontrolleuren?

Bei der SachsenLB hat man Tochtergesellschaften gegründet – dadurch sind die riskanten Spekulationen aus der Bilanz verschwunden.

Welche Kontrollmechanismen gibt es in Deutschland?

Es gibt die interne Kontrolle in den Handelsabteilungen: Man muss minütlich wissen, welche offenen Positionen man hat, um Nachfolgegeschäfte daran auszurichten. Daneben gibt es die Tageskontrolle und die externe Kontrolle durch Wirtschaftsprüfer und die Aufsichtsbehörden.

Warum versagt das System dann ständig?

Es ist gar nicht gesagt, dass die Kontrollmechanismen dies nicht vorhergesagt haben. Ich halte es für ein Märchen, dass ein einzelner Händler fünf Milliarden Verlust produzieren konnte. Er brauchte Mitwisser und Mittäter, die mindestens die Augen zugedrückt haben.

Was soll man dagegen tun?

Man muss die Kontrollen schärfer machen. Landesbanken dürfen keine Risiken außerhalb der Bilanz führen. Das Entscheidende ist, dass man das Management stärker kontrolliert und in Mitverantwortung nimmt, wenn es solche Risiken eingeht. Auch Händler, die durch Regelverstöße hohe Gewinne erzielen, müssen entlassen werden.
Interview: V. ter Haseborg

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