Wenn schon in den Ferien pauken, dann richtig

Tausende Nachhilfe-Anbieter versprechen, die Leistungen des Kindes bis zum nächsten Schuljahr aufzupeppen. Unter den Firmen tummeln sich auch schwarze Schafe, warnt die Expertin
von  Susanne Stephan
Lachende Kinder, eine erfolgreiche Nachhilfelehrerin: So hätten es die Eltern am liebsten. Nicht jeder Anbieter geht aber wirklich auf die Bedürfnisse der Schüler ein.
Lachende Kinder, eine erfolgreiche Nachhilfelehrerin: So hätten es die Eltern am liebsten. Nicht jeder Anbieter geht aber wirklich auf die Bedürfnisse der Schüler ein. © dpa

Tausende Nachhilfe-Anbieter versprechen, die Leistungen des Kindes bis zum nächsten Schuljahr aufzupeppen. Unter den Firmen tummeln sich auch schwarze Schafe, warnt die Expertin.

München - „Lernen mit Spaß“, „Erfolg in der Schule“ – in den Sommerferien haben nicht alle Kinder frei. Viele werden in Paukstudios geschickt, damit im nächsten Schuljahr die Noten besser werden. Doch was müssen Eltern beachten, bevor sie den Geldbeutel zücken? Die AZ hat mit einer Expertin gesprochen. Die 49-jährige gebürtige Münchnerin hat für ihren „Ratgeber Nachhilfe“ auf dem deutschen Bildungsmarkt recherchiert.

AZ: Wann macht Nachhilfe Sinn?

JULIA STRELOW: Das hängt unter anderem von den Ansprüchen der Eltern ab. Für manche sind Dreier im Zeugnis vollkommen ausreichend, andere sind damit überhaupt nicht zufrieden. Ich denke, Nachhilfe ist sinnvoll, wenn die Leistungen in einem Fach kontinuierlich abfallen. Zuerst sollten Eltern überlegen, ob es außerschulische Gründe dafür gibt, beispielsweise Konflikte in der Familie. Davon abgesehen sollten sie bei einem Leistungsabfall nicht zu lange zusehen und abwarten, während der Schüler mehr und mehr den Anschluss verliert. Von einem Nachhilfelehrer – und vom Schüler – ist es recht viel verlangt, große Lücken innerhalb kurzer Zeit zu schließen, wenn es brennt.

Manche Eltern, deren Kinder eher schwach in der Schule sind, lassen mit einem Nachhilfelehrer vorlernen. Macht das Sinn?

Das würde ich nicht empfehlen, es sein denn, das Kind ist sehr schüchtern und tut sich deswegen schwer, im Unterricht Fragen zu stellen. In einem solchen Fall kann es zu mehr Selbstbewusstsein verhelfen, im voraus Kenntnisse über den Stoff zu vermitteln. Ansonsten finde ich es aber sinnvoller, Stoff zu wiederholen, damit er richtig sitzt. Angesichts gedrängter Lehrplänen bleibt in der Schule oft nicht genügend Zeit, um das geforderte Wissen richtig einzuüben.

Mit welchen Kosten müssen Eltern rechnen?

Je nach Anbieter mit weniger als zehn Euro pro 45 Minuten oder mit bis zu 30 Euro und mehr. Ich rate davon ab, nur nach dem Preis zu gehen. Nehmen Sie das Beispiel der „Schülerhilfe“ – hier wird, unterstützt von einem sehr nachdrücklichen Marketing, Nachhilfe praktisch im Discount angeboten. Eine Lehrerin, die von dem Anbieter angefragt wurde, berichtete mir, sie habe für wenig mehr als acht Euro brutto pro Stunde arbeiten sollen, um einen Schüler in Spanisch intensiv auf eine Nachprüfung vorzubereiten – praktisch im letzten Moment wurde ihr mitgeteilt, dass sie nebenbei auch noch einen anderen Schüler einer anderen Jahrgangsstufe in Englisch unterrichten solle! Qualifizierte Arbeit sieht sicher anders aus. Zudem binden Anbieter mit Niedrig-Tarifen ihre Eltern oft mit unverhältnismäßig langen Vertragslaufzeiten – unter Umständen können das zwölf Monate sein. Da sich bei Schülern die Leistungen und die erforderlichen Schwerpunkte schnell ändern, halte ich das für indiskutabel. Kündigungsfristen, die länger als ein Monat sind, sollten Eltern ablehnen.


Was taugen Qualitätssiegel?


Sie sagen wenig bis gar nichts aus. Beispielsweise belegt das Tüv-Siegel die Qualität des Unterrichts in keiner Weise. Der Tüv prüft Sachverhalte wie die Größe der Unterrichtsräume und die Frage, ob ausreichend Unterrichtsmaterialien vorhanden sind.

Muss es denn eine gewerbliche Nachhilfe-Einrichtung sein?

Nein, ein pensionierter Lehrer oder eine Studentin können dem Kind auch sehr effektiv helfen. Wichtig ist die Anzahl der Schüler: Einzelunterricht ist normalerweise am intensivsten, Lerngruppen dürfen keinesfalls mehr als fünf Schüler zählen.

Woran erkennen Eltern hohe Qualität?

Daran, wie individuell der Lehrer aufs Kind eingehen kann – sieht er sich beispielsweise Hausaufgaben, Hefteinträge und die vergangenen Tests an? Sehr wichtig ist auch ein regelmäßiger Austausch des Nachhilfelehrers mit den Eltern: Wo sollte das Kind gezielt lernen, um Lücken zu schließen? Das gelingt erfahrungsgemäß am besten, wenn der Lehrer oder die Lehrerin zum Kind nach Hause kommen kann.

Julia Strelow: Ratgeber Nachhilfe: Informationen, Adressen, Berichte. Books on Demand, 9,90 Euro.

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