Weltwirtschaft im Sog der Autokrise

Die Flaute der Schlüsselbranche greift auf die gesamte Wirtschaft über. Erstmals seit 2003 gibt es mehr Firmen-Pleiten. Zulieferer wie Infineon schreiben Milliardenverluste. MAN kürzt die Produktion.
MÜNCHEN Es ist eine der tiefsten Krisen, die die Branche je erlebt hat – und sie greift immer stärker auf den Rest der Wirtschaft über.
"Die Automobilmärkte haben eine Talfahrt genommen, die in dieser Geschwindigkeit und Ausprägung noch nie vorher stattgefunden hat", sagte der Chef des Autoverbands VDA , Matthias Wissmann, gestern. Und er zeichnete ein düsteres Bild von der Zukunft: Nächstes Jahr werden wohl nur noch 2,9 Millionen Wagen neu zugelassen – so wenig wie seit 1990 nicht mehr.
Das werde sich auch bei den Jobs niederschlagen. Bereits von August auf September habe die Branche 1850 Stellen beim Stammpersonal gestrichen. Hinzu kommen 10000 Zeitarbeits-Jobs. "Das Ziel ist, so lange wie möglich Stammpersonal zu halten", so Wissmann. "Aber je länger und tiefer die Krise ist, desto größer werden die Auswirkungen."
Immer mehr Autobauer drosseln die Produktion
Bei den Herstellern selbst äußert sich das in immer längeren Produktionsstopps. BMW schloss gestern nicht aus, die Produktion weiter zu drosseln – und zusätzlich beim Personal zu kürzen. Bei Daimler sollen nun nicht nur an Weihnachten die Bänder ruhen. Auch an Ostern soll zwei Wochen nichts gehen, in den Sommerferien drei Wochen. Und Opel will die Produktion des Astra um bis zu 30 Prozent drosseln.
Solche Diskussionen laufen aber nicht mehr nur bei Pkw-Herstellern. Auch der Lkw-Bauer MAN schraubt die Produktion drastisch runter. 40 bis 50 Tage sollen die Bänder alleine im ersten Halbjahr 2009 stillstehen – unter anderem in München und Nürnberg. Mehr als 10000 Lastwagen stünden bereits auf Lager.
Zu spüren ist die Autokrise längst auch außerhalb der Hersteller-Hallen. Gestern meldete der Münchner Chiphersteller Infineon einen Rekordverlust für das abgelaufene Geschäftsjahr. Mit mehr als drei Milliarden Euro rutschte das Unternehmen in die roten Zahlen. Die Aktie stürzte um 30 Prozent ab. Ein Hauptgrund: Die Autoflaute. Infineon beliefert die Branche mit Chips für die Fahrzeug-Elektronik. Dasselbe gilt für Infineons Tochter Qimonda. Deren Pleite rückt immer näher. Es sei unsicher, ob Quimonda seine Verpflichtungen erfüllen und die finanzielle Lage verbessern könne, teilte Infineon mit.
Die Zahl der Firmenpleiten ist erstmals wieder gestiegen
Der Kollaps der Chip-Tochter wäre nicht die erste Insolvenz, für die die Autokrise heuer mitverantwortlich ist. Gestern stellte der Verband Creditreform seine Insolvenz-Statistik vor. Ergebnis: Erstmals seit 2003 ist die Zahl der Firmenpleiten gegenüber dem Vorjahr gestiegen. Den stärksten Anstieg registrierten die Experten dabei im Fahrzeugbau, der direkt an der Autobranche hängt.
Und das Firmensterben wird weitergehen, meint der Gelsenkirchener Autoprofessor Ferdinand Dudenhöffer. Er glaubt: Rund ein Viertel aller Autohändler wird bald schließen müssen. Und auch vielen Zulieferern werde es so gehen, wenn der Staat nicht helfe. Dudenhöffer fordert deshalb einen 5-Milliarden-Kreditfonds für die Branche.