Weltweite Panik an den Börsen

«Angst plus Skepsis gleich Panik», lautet das Fazit eines Analysten. Am Montag stürzten die Aktienindizes rund um den Globus ab, der Ölpreis und der Euro schossen in die Höhe. Es ist bereits die Rede von der schlimmsten Krise seit 1945.
von  Abendzeitung
Vor der Frankfurter Börse: Der Bär ist derzeit stärker als der Bulle, der für steigende Kurse steht
Vor der Frankfurter Börse: Der Bär ist derzeit stärker als der Bulle, der für steigende Kurse steht © AP

«Angst plus Skepsis gleich Panik», lautet das Fazit eines Analysten. Am Montag stürzten die Aktienindizes rund um den Globus ab, der Ölpreis und der Euro schossen in die Höhe. Es ist bereits die Rede von der schlimmsten Krise seit 1945.

Die verschärfte Finanzmarktkrise in den USA hat erneut ein weltweites Börsenbeben ausgelöst. Von Asien bis Europa gingen die Märkte am Montag mit teils dramatischen Abstürzen einzelner Werte auf Talfahrt. Gleichzeitig notierten der Preis für Opec-Rohöl mit 102,88 US-Dollar pro Barrel und der Euro auf einer neuen Rekordhöhe. In der Nacht zum Montag hatte die europäische Gemeinschaftswährung zeitweise bis auf 1,5903 Dollar zugelegt.

Die US-Notenbank senkte den Diskontsatz auf 3,25 Prozent und drehte damit den Geldhahn weiter aufgedreht. Außerdem startete die Zentralbank mit der JPMorgan Chase-Bank eine Rettungsaktion für die Investmentbank Bear Stearns, der Ende letzter Woche die Liquidität ausging. Investoren werteten das offenbar als Signal für das wahre Ausmaß der Finanzkrise.

Die britische Notenbank wird dem Geldmarkt fünf Milliarden Pfund anbieten. Das außerordentliche Geschäft habe eine Laufzeit von drei Tagen, teilte die Bank of England am Montag in London mit. Die Ausschreibung sei eine Reaktion auf die derzeitigen Bedingungen am Geldmarkt. Man werde die Entwicklung weiter genau beobachten.

Weltweit stürzen Indizes ab

Der Deutsche Aktienindex Dax stürzte am Morgen ab: Bis 11.00 Uhr büßte das wichtigste deutsche Börsenbarometer 3,5 Prozent auf nur noch 6230 Zähler ein. Zeitweise sackte der Dax sogar unter die 6200-Punkte-Marke und notierte damit auf dem tiefsten Stand seit November 2006. Neben der Aktie von Siemens, die nach einer Gewinnwarnung vom Morgen knapp 13 Prozent nachgab, verloren die Finanztitel am heftigsten. So büßte die Deutsche Börse mehr als neun Prozent ein, die HypoRealEstate verlor mehr als acht Prozent, die Commerzbank mehr als sieben und die Deutsche Bank mehr als sechs Prozent.

Die europäischen Indizes sanken auf den tiefsten Stand seit Mitte 2006. Mehrere Finanztitel verbuchten Kursverluste von bis zu zehn Prozent. Der europäische Leitindex EuroStoxx 50 fiel am Vormittag um 3,54 Prozent auf 3440,46 Punkte. Auch die Indizes in Großbritannien, der Schweiz und Frankreich gaben nach. In Italien sackte die Aktie von Alitalia um mehr als 30 Prozent auf 28,84 Punkte ab. In der Nacht hatten bereits die wichtigsten Aktieninidizes in der gesamten Asien-Pazifik-Region nachgegeben. In Japan war der Nikkei-Index um 3,7 Prozent auf 11.787,51 Punkte gefallen, was dem tiefsten Stand seit August 2005 entspricht.

«Schlimmste Krise seit 1945»

Nach Einschätzung des früheren Notenbankchefs Alan Greenspan erleben die USA derzeit die schwerste Finanzkrise seit 1945. Die Krise werde «wahrscheinlich im Nachhinein als schlimmste seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs bewertet werden», schrieb Greenspan in der «Financial Times». Als Grund für die massiven Kursverluste nannten Börsianer hauptsächlich die Nachricht vom Verkauf der US-Investmentbank Bear Stearns für 2 Dollar je Aktie an JP Morgan. Dies sorge für helle Aufregung unter den Investoren und schüre die Sorgen vor einer drohenden Verschärfung der Finanzkrise. «Das ist heute ein richtiges Schlachtfest an den Börsen», sagte ein Marktbeobachter. Die Rettungsaktion von Bear Stearns und des Finanzsystems nehme dramatische Züge an, heißt es im Kommentar der Privatbank Wegelin. Die Lage im Finanzsystem sei äußerst angespannt. Weiteres Ungemach sei programmiert, weil gleich vier große US-Investmentbanken in dieser Woche ihre Quartalszahlen vorlegen.

Unterschiedliche Einschätzungen

Nach Einschätzung der Analysten von Sentix dürfte die Karwoche an den Aktienmärkten turbulent werden. «Angst plus Skepsis gleich Panik», titelte Patrick Hussy in einer aktuellen Studie vom Montag. Der Druck am Kreditmarkt habe sich nun bei einer Adresse - Bear Stearns - entladen. Allerdings laufe das «volatile Endgame», entsprechend könne ab Ostern mit besseren Zeiten gerechnet werden, so die Prognose von Hussy. Nachdem das Hilfspaket der US-Notenbank Fed von 200 Milliarden Dollar in der vergangenen Woche seine Wirkung verfehlt habe, sei große Skepsis aufgekommen. Panik sei vor allem an den Krediktmärkten und auf Ebene der Einzeltitel zu beobachten.

Entsprechend hätten die Anleger bereits reagiert und massiv Aktienquoten abgebaut. Während die Privatanleger nach den jüngsten Sentix-Umfragen weiterhin keine Risiken aufbauen wollten, nehme die Risikoneigung bei institutionellen Anlegern schon wieder zu. Das begründe sich vor allem in deren Präferenz für Kredit-Engagements. «Dies ist ein besonderes Zeichen, denn das sentix-Creditbarometer steigt bei den Institutionellen mit -34,5 über den Wert vom Mai 2007. Wenn für dieses Segment Zuversicht aufkommt, erhält der Markt genau dort seine Entlastung, wo er sie am dringendsten benötigt», so Hussy.

Weniger optimistisch sieht der deutsche Bankenexperte Wolfang Gerke die Lage. Gerke sagte der «Berliner Zeitung», die Gefahr sei groß, dass die Krise außer Kontrolle gerate. Die US-Notenbank habe in der zurückliegenden Zeit panikartig reagiert, in dem sie die Zinsen stark zurückgenommen und viel zu viel Liquidität in den Markt gepumpt habe. Die Wahrscheinlichkeit einer Stagflation - also einer stagnierenden Wirtschaft bei stark steigenden Preisen - werde immer größer, sagte Gerke. «Die Fed hätte ihr Pulver trocken halten müssen. Was soll sie denn jetzt noch tun, wenn die Krise weitergeht?», fragte er.

Teurer Euro laut Bundesbank kein Problem

Die Rekordjagd des Euro ist nach Einschätzung der Deutschen Bundesbank bislang jedoch kein großes Problem für die deutsche Wirtschaft. Zwar habe sich die «preisliche Wettbewerbsposition der heimischen Unternehmen» in Abnehmermärkten außerhalb Europas aufgrund der Euro-Aufwertung gegenüber dem US- Dollar verschlechtert, heißt es im Monatsbericht März der Notenbank, der am Montag in Frankfurt veröffentlicht wurde. Doch die Exporteure hätten die Euro-Aufwertung «bisher deutlich abgefedert». Ein Grund sei, dass die deutsche Wirtschaft fast 43 Prozent ihrer Waren in den Euro-Raum liefere. Weil auch viele Geschäfte außerhalb Europas in Euro abgerechnet würden, schmälere die Abwertung des Dollars gegenüber dem Euro die Exporterlöse der deutschen Unternehmen «auf kurze Sicht nur vergleichsweise wenig».

Für heute Montag hat US-Präsident George W. Bush zur Krisensitzung gerufen: Mit Finanzminister Henry Paulson, Notenbankchef Ben Bernanke sowie den Chefs der Börsenaufsicht SEC und der Commodity Futures Trading Commission will er über die Börsenbeben der vergangenen Woche und mögliche weitere Maßnahmen gegen die Kreditkrise beraten. Die Eile, mit der das Treffen einberufen wurde, wundert nicht. Den Börsen steht eine harte Woche bevor, das ist jetzt schon sicher. (NZ/dpa-afix/AP)

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