Weltuntergangsstimmung bei Schlecker

Viele Jobs sollen im Einzelhandel frei sein – ihre Konditionen aber schlecht, kritisiert Verdi    
von  Konstanze Faßbinder

Viele Jobs sollen im Einzelhandel frei sein – ihre Konditionen aber schlecht, kritisiert Verdi

MÜNCHEN Arbeitskräfte dringend gesucht: 20000 Stellen sollen derzeit alleine im Einzelhandel frei sein. Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) sieht deshalb gute Chancen für die 11750 von der Entlassungswelle betroffenen Schlecker-Beschäftigten. Auch Drogerie-Konkurrent Rossmann schätzt deren Zukunft positiv ein und stellte prompt in Aussicht, Ex-Schlecker-Leute anzustellen. Bei der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi sorgt man sich trotzdem.

Überwiegend handele es sich bei den freien Stellen um mies bezahlte Jobs, heißt es bei Verdi. „Ich bin persönlich erbost“, empört sich Verdi-Sekretär Manfred Wages. Stets werde nur die Zahl der freien Jobs betont. Die Noch-Angestellten bei Schlecker, die derzeit tariflich bezahlt werden, würden aber in vielen der derzeit offenen Stellen nur sechs oder sieben Euro pro Stunde verdienen – „statt momentan 13 Euro“. Dies sei umso schlimmer, da eine Vielzahl der Frauen alleinerziehend sei.

Die Stimmung im Betrieb: dementsprechend schlecht. „Wie beim Weltuntergang“, so Wages. Hinzu komme, dass die Schlecker-Mitarbeiter zwar teils sehr gut qualifiziert seien, häufig aber nur bei einem Arbeitgeber – eben Schlecker – berufliche Erfahrungen gesammelt hätten.

Das wird sich jetzt zwangsläufig ändern. Dirk Rossmann, Chef der Drogeriemarktkette Rossmann, kündigte gestern im „Tagesspiegel“ an, man plane 1000 Neueinstellungen, unter denen „sicher auch Schlecker-Mitarbeiter“ sein würden. Sie müssten sich aber auf normalem Wege bewerben, sagte ein Rossmann-Sprecher und betonte, dies sei „kein garantiertes Übernahmeangebot“.

Bei Verdi deutete man Rossmanns Vorstoß als positives Signal. Natürlich müsse man sehen, ob daraus eine seriöse Alternative werde. Grundsätzlich aber, so Wages, „freuen wir uns über jeden Strohhalm“.

Ein weiterer dürfte der sein: Der baden-württembergische Wirtschaftsminister Nils Schmid (SPD) stellte öffentliche Gelder in Aussicht, sollte sich ein seriöser Investor für den Konzern mit Sitz im schwäbischen Ehingen finden. Schmid forderte außerdem ein verlängertes Insolvenzgeld – darüber müsste allerdings die Bundesagentur für Arbeit entscheiden.

Ähnlich wie Schmid hatte sich auch Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen erst zwei Tage nach der offiziellen Insolvenzverkündigung geäußert. Am Freitag hatte von der Leyen die Gründung einer Transfergesellschaft gefordert, in der die Ex-Mitarbeiter von Schlecker gezielt weitergebildet und bestenfalls ohne einen Tag Arbeitslosigkeit in neue Jobs vermittelt werden sollen. „Sie hat wohl gemerkt, dass 2013 Bundestagswahlen sind“, kommentierte Wages.

Wie es mit den 11750 künftig Arbeitslosen weitergehen soll, ist noch nicht klar. Auch nicht, wie viele in München betroffen sein werden. Gestern Abend begannen in Ulm die Verhandlungen von Verdi und der Bundesagentur für Arbeit mit Insolvenzverwalter Geiwitz. Erklärtes Ziel der Gewerkschaft: „Möglichst viele der Existenzen durch einen Arbeitsplatz bei Schlecker zu sichern“, so Bundesvorstandsmitglied Stefanie Nutzenberger.

Für die, die gehen müssen, will auch Verdi eine Transfergesellschaft. Laut Wages haben „die Frauen ein Recht darauf“.

 

 

 

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