Wegen Pflichtversicherung: Arm durch die Krankenkasse?

Für Menschen ohne Krankenversicherung ist der private Basistarif oft viel zu teuer - viele Rentner leiden jetzt unter der neuen Regelung, nach der sich jeder, der bislang keine Krankenkasse hatte, pflichtversichern muss.
MÜNCHEN/NÜRNBERG Gerda S. ist ratlos: Alles in allem rund 1300 Euro Rente hat die 72-Jährige im Monat. Damit kam die Nürnbergerin bislang auch gut aus. Allerdings nur, weil sie sich die Beiträge für die private Krankenversicherung sparte. Musste sie zum Arzt, beglich sie die Rechnung aus der eigenen Tasche.
Seit dem 1. Januar geht das nicht mehr. Denn seitdem gilt: Wer bislang keine Krankenkasse hatte, muss sich pflichtversichern. Die Bundesregierung hat dafür einen „Basistarif“ geschaffen, zu dem die Privatkassen jeden aufnehmen müssen. Der Tarif freilich würde Gerda S. inklusive Pflegeversicherung rund 640 Euro im Monat kosten. „Wenn ich da noch meine Miete abziehe – wovon soll ich dann leben?“, klagt die Rentnerin.
Bis zu 400000 Menschen leben ohne Krankenversicherung
Gerda S. ist kein Einzelfall. Bundesweit lebten bislang bis zu 400000 Menschen ohne Krankenversicherung. Bei der AZ-Telefonaktion zum Thema Krankenkassen wurde deutlich: Viele von Ihnen sind jetzt in der Zwickmühle. „Sie müssen sich pflichtversichern, können das aber kaum bezahlen“, sagt Heidemarie Krause-Böhm von der Verbraucherzentrale Bayern.
Die meisten meiden deshalb den Gang zum Versicherungsunternehmen. Mit fatalen Folgen: Wer sich nicht versichert, bekommt Strafzahlungen aufgebrummt. Für die Monate von Februar bis Mai zahlt man einen vollen Monatsbeitrag nach, ab Juni ein Sechstel. „Da häufen sich hohe Beträge an“, warnt Waltraud Kröner, Patientenberaterin im Münchner Gesundheitsladen. Für Menschen, die wenig Geld haben, kann die Krankenversicherung ein existenzielles Problem werden. Kröners Rat: „Betroffene sollten schnell eine günstige Gesellschaft suchen.“
Der Idealfall dabei: Man schafft es, in die gesetzliche Kasse zu kommen. Denn nur hier wird der Beitrag einkommensabhängig erhoben. Das geht dann, wenn man zuvor schonmal in der Gesetzlichen war. Man darf zwischendurch aber nicht schon mal privat versichert gewesen sein. Ein weiterer Weg: Wer unter 55 Jahre alt ist, und eine abhängige Erwerbstätigkeit aufnimmt, wird automatisch gesetzlich versichert.
Den Basistarif beim privaten Versicherer drücken
Wer nicht in die gesetzliche Kasse kann, sollte versuchen, den Basistarif beim privaten Versicherer zu drücken. „Dazu muss man einen Härtefallantrag beim zuständigen Sozialhilfeträger stellen“, sagt Waltraud Kröner.
Dieser prüft dann, ob der Versicherte nach Abzug des Beitrags für den Basistarif hilfsbedürftig nach dem Sozialgesetz ist. Trifft das zu, wird der Beitrag halbiert. Ist man auch dann noch bedürftig, übernehmen die Sozialhilfeträger einen Anteil.
Auch Gerda S. sollte prüfen lassen, ob eine Halbierung des Beitrags bei ihr möglich ist, rät ihr die Verbraucherschützerin Krause-Böhm. „Wenn Sie den halben Beitrag erlassen bekommt, würde das der Rentnerin enorm helfen.“
aja