Was sich bei der Bahn ändern muss
BERLIN - Der Konzern sollte sich auf das Geschäft in der Heimat konzentrieren, fordert Christian Böttger, Professor der Berliner Fachhochschule für Technik und Wirtschaft. Ihre Logistik-Sparte sollte die Bahn nach Meinung des Experten für Verkehrsökonomie verkaufen.
AZ: Herr Professor Böttger, ist Mehdorns Bilanz wirklich so gut, wie er vorgibt?
CHRISTIAN BÖTTGER: Nein, seine Verdienste werden stark überschätzt. Die meisten Behauptungen, er habe die Bahn saniert, sind übertrieben. Ein erheblicher Teil seiner Gewinne beruht darauf, dass er die Bilanzierungsregeln zu seinen Gunsten geändert hat. Darüber hinaus hat er im großen Stil Firmen im Ausland gekauft, mit öffentlich garantierten Mitteln. 90 Prozent der Gewinne kommen aber aus Deutschland. Das heißt: Seine Auslands-Strategie hat sich nicht gelohnt. Und mittlerweile hat die Bahn 16 Milliarden Euro Schulden.
Was muss sich auf politischer Ebene ändern?
Mehdorns Entscheidung, die Bahn zum weltweiten Logistik-Konzern zu machen, ist nie im Bundestag beschlossen worden. Es war eine reine Kungelentscheidung. Will man wirklich, dass mit deutschen Steuermitteln der Lkw-Verkehr in China finanziert wird? Wenn Politiker das wollen, müssen sie es beschließen.
Ergibt das Logistik-Geschäft überhaupt Sinn?
Ich bin der Meinung, dass das Logistik-Geschäft nicht mit öffentlichem, sondern privatem Geld geführt werden sollte. Das heißt: Die Bahn sollte die Logistik-Sparte verkaufen.
Wie muss das Geschäftsmodell der Bahn geändert werden?
Ein Drittel des Gewinns der Bahn kommt nur zustande, weil die Bahn ein Monopol hat. Die Politik sollte entscheiden, dass es mehr Wettbewerb auf der Schiene gibt. Das stärkt die Bahn, aber auch die Wettbewerber. Diese Debatte muss geführt werden – auch im Wahlkampf. Darauf haben die Mitarbeiter der Bahn Anspruch.
Was wird jetzt aus der Bahn-Privatisierung?
Das Projekt ist in seiner jetzigen Struktur tot. Die Frage wird von der Politik neu entschieden werden müssen. Und das hängt davon ab, wer im Herbst die Wahl gewinnt.
Warum regt das marode Streckennetz so viele auf?
Die Bahn erwartet, dass der Bund in das Streckennetz investiert, und zahlt keine Mittel. Die gesamten Gewinne, die die Bahn gemacht hat, hat sie nicht in die Eisenbahn in Deutschland gesteckt, sondern ins Ausland-Geschäft. Wenn die Deutsche Bahn ihren öffentlichen Auftrag ernst nimmt, sollte sie mehr Eigenmittel ins Schienennetz stecken – auch wenn das nicht zum Gewinnmaximum führt.
Die Deutschen schimpfen gerne auf die Bahn. Wo sehen Sie als Kunde den größten Verbesserungsbedarf?
Die Bahn ist im Tagesgeschäft besser als die meisten Fluglinien. Die Spar-Strategie hat aber zu bestimmen Defiziten geführt: die Reduzierung von Verkaufsstellen zum Beispiel.
Interview: V. ter Haseborg