Was ist dieses Jahr drin?

IG Metall will lieber Jobs sichern als mehr Geld, Verdi und andere Arbeitnehmer-Vertreter verlangen deutliche Erhöhungen. Im Schnitt könnte der Zuwachs bei 1,5 Prozent liegen
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IG Metall will lieber Jobs sichern als mehr Geld, Verdi und andere Arbeitnehmer-Vertreter verlangen deutliche Erhöhungen. Im Schnitt könnte der Zuwachs bei 1,5 Prozent liegen

Das wäre eine harte Magerkur für die Beschäftigten: Eine zweijährige Lohnpause, sagt Wirtschaftsforscher Klaus Zimmermann, sei in einigen Branchen Deutschlands angebracht. Für den Chef des als arbeitnehmernah geltenden Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) eine überraschende Aussage.

Doch sie liegt im Trend. Krise, Kurzarbeit und immer weniger Jobs lassen den Ruf nach „Lohnzurückhaltung“ lauter werden. Ökonomen und Arbeitgeber fordern: 2010 müssen die Beschäftigten beim Lohn verzichten. Das Potenzial für Lohnsteigerungen sei „nahezu aufgefressen“, meint Martin Wansleben, Chef des Deutschen Industrie- und Handelskammertages.

Solche Äußerungen der Arbeitgeber alleine müssten die Beschäftigten noch nicht beunruhigen. Doch auch bei den Gewerkschaften herrscht mit Blick auf die Tarifrunden 2010 alles andere als Einigkeit. Hie und da begeben sich die Arbeitnehmervertreter sogar schon vorauseilend in die Defensive. „Ich sehe nicht, dass wir große Entgeltforderungen stellen werden“, machte IG-Metall-Chef Berthold Huber bereits Ende 2009 deutlich. Der Vorsitzende der weltweit größten Industriegewerkschaft wäre mit einem Mini-Lohnplus zufrieden – wenn dafür Jobs erhalten werden.

Ganz anders die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi: Für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst will sie fünf Prozent mehr. „Wir brauchen von der Lohnseite her Impulse für die Binnennachfrage“, sagt Verdi-Chef Frank Bsirske. Auch bei der Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten hält man von Bescheidenheit nichts. „Wir wollen eine möglichst hohe Entgeltsteigerung erreichen“, sagt Bayerns NGG-Sprecher Walter Linner.

Magerkur oder Lohnplus – was dürfen Beschäftigte 2010 erwarten? „Im Schnitt dürfte das Lohnplus leicht über der Inflationsrate liegen“, glaubt Reinhard Bispinck, Chef des Tarifarchivs beim gewerkschaftsnahen WSI-Institut. In Zahlen sind das rund 1,5 Prozent mehr. „Von Branche zu Branche wird sich das aber stark unterscheiden“, so Bispinck.

Ein sicheres Lohnplus bekommen jene Beschäftigte, für die die Erhöhung für 2010 schon im letzten Tarifvertrag festgelegt wurde. So dürfen sich Telekom-Mitarbeiter ab Januar über 2,5 Prozent mehr freuen. Gebäudereiniger bekommen 3,1 Prozent mehr (siehe Tabelle). Für gut 9 Millionen Beschäftigte jedoch werden heuer neue Tarifverträge ausgehandelt. Die AZ sagt, was in wichtigen Branchen beim Lohn herausspringen dürfte.

Öffentlicher Dienst. Finanzminister Wolfgang Schäuble hat die Fünf-Prozent-Forderung von Verdi für Bund und Gemeinden bereits harsch zurückgewiesen. Ab 13. Januar wird verhandelt. Doch auch wenn der Staat klamm ist: Unterm Strich wird ein Plus stehen.

Chemie. Die Tarifverträge laufen regional unterschiedlich aus, in Bayern im April. Die Gewerkschaft will eine „angemessene Erhöhung“. Wichtiger sind sichere Jobs. Tendenz fürs Lohnplus: bescheiden.

Metall und Elektro. Auch Bayerns IG Metall hat vor allem sichere Arbeitsplätze im Blick. „Dieses Jahr steht die Beschäftigungssicherung im Vordergrund“, sagt Sprecher Matthias Jena. „Die Branche hat wenig Spielräume. Viele sind in Kurzarbeit.“ Schon die Forderung der Metaller dürfte daher vorsichtig ausfallen. Auch Arbeitszeitreduzierungen ohne Lohnausgleich sind im Gespräch. Für viele Beschäftigte könnte das bedeuten: Unterm Strich bleibt nach Abzug der Inflation sogar ein Minus.

Banken. Die Branche erholt sich langsam von der Finanzkrise. Das will die Gewerkschaft ausnutzen. Der Abschluss für die Bankangestellten sollte sich an den fünf Prozent orientieren, die Verdi für den öffentlichen Dienst fordert, meint Sigrid Stenzel, bei Verdi Bayern für die Banken zuständig. „Der letzte Abschluss war mit 2,5 Prozent enttäuschend“, sagt sie. „Zurückhaltung hilft uns bestimmt nicht aus der Krise heraus.“ Lohntendenz: positiv.

Hotel- und Gaststätten. Im mehreren Bundesländern laufen Tarifverträge aus, in Bayern Ende September. Die Gewerkschaft NGG fordert bis zu fünf Prozent mehr. „Die Hotels profitieren heuer zusätzlich vom reduzierten Mehrwertsteuersatz“, sagt Sprecher Walter Linner. „Daran werden wir unseren Anteil einfordern.“ Unterm Strich könnte daher ein klares Plus stehen.

Bahn. Im Juli läuft der Tarifvertrag aus. Auch die Bahngewerkschafter sind bescheiden. Sie wollen verhindern, dass kleine, private Bahnanbieter mit Niedriglöhnen den Bahn-Beschäftigten Konkurrenz machen. Michael Klein, Pressesprecher der Gewerkschaft Transnet, ist denn auch vorsichtig: „Unser Bestreben ist es, ein Plus zu erreichen.“ Die Arbeitgeber hätten Spielräume. Dennoch dürfte das Ergebnis eher mager ausfallen.

Kasanobu Serdarov und Andreas Jalsovec

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