War Mehdorn ein Versager?
Pro & Kontra: Die AZ-Redakteure Tina Angerer und Tim Lokoschat über die Erfolge und Skandale des Bahnchefs, der gestern seinen Rücktritt angeboten hat.
Zwei Redakteure, zwei Meinungen
Die Spitzelaffäre war nur ein peinlicher Höhepunkt in der Karriere des Hartmut Mehdorn. Ja, Profit hat er gemacht, und wer Tickets kauft, weiß auch, wie. Aber schon 2003, als er sein neues Tarifsystem wegen Fahrgastmangels kippen musste, hätte das andere Manager den Job gekostet. Vergangenen August verkündete er Supergewinne und kündigte gleichzeitig Preiserhöhungen an, obwohl er die vorher ausgeschlossen hatte. Vom „Bedienzuschlag“ ganz zu schweigen.
Oder das ICE-Unglück im Kölner Bahnhof: Auf freier Strecke hätte es hunderte Menschenleben gekostet – Mehdorn jammerte nur, was die Kontrolle der maroden Züge kostet. Ein unverhohlener Zyniker, ein miserabler Krisenmanager, ein Bürgerschreck als Chef eines Staatsunternehmens.
Auch Imagepflege ist Aufgabe einer Führungskraft. Mehdorn hat dem Image der Bahn schwer geschadet. Die Bahn ist halt Monopolist. Bei jedem anderen Unternehmen wäre er längst geflogen.
Hartmut Mehdorn tritt zurück – und manche reagieren, als sei hier gerade ein nordkoreanischer Diktator gestürzt, ein zehnjähriges Terrorregime beendet worden. Dabei gehört der Bahnchef zu Deutschlands erfolgreichsten Managern. Wie sah es denn vor seiner Ära in deutschen Zügen aus? Das Essen war mies, fast ein Fall fürs Bundesseuchengesetz, das Personal unfreundlich, fast eine Konkurrenz fürs Dominagewerbe, die Züge langsam, fast wie Gomez.
Klar, Mehdorn hat viele Fehler gemacht, jedoch deutlich weniger als noch amtierende Bankmanager – und in erster Linie aus der gerne verklärten Bummelbahn, die Milliarden an Steuergeldern verschwendete, einen Weltkonzern mit krisensicheren Jobs.
Ein guter Selbstdarsteller war er freilich nicht, die öffentliche Wahrnehmung eine andere: defekte Damentoiletten in Gilching-Argelsried, neurotische Fahrkartenkontrolleure, jede einzelne verspätete S-Bahn, Regen – immer war’s „Bahnchef Mehdorn“. Hoffentlich gewährt man dem Nachfolger wenigstens einen Vornamen.
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