Wagner für jedermann
Der Komponist wollte Festspiele für alle. Nun ist es soweit. Robert Braunmüller über den Wandel auf dem Grünen Hügel in Bayreuth.
Willkommen in der Medienwelt, Bayreuth! Mit der Übertragung der „Meistersinger“ auf eine Großleinwand haben die Festspiele nachgeholt, was für die Münchner mit „Oper für alle“ längst eine Selbstverständlichkeit ist. Wer eine Profanierung der Wagnerweihe fürchtet, möge sich erinnern, dass der Komponist nach antikem Vorbild kostenlose Festspiele für jedermann wollte: Die sieben Jahre Kartenwartezeit für Normalbürger haben Wagners demokratischen Idealismus vollends absurd werden lassen.
Die neue Technik macht‘s möglich, auch wenn auf einem Volksfestplatz mit Bierausschank nicht die gewandelte Menschheit zusammenwachsen wird, von der Wagner träumte. 38.000 Neugierige kamen. Das sind mehr, als während einer Saison ins Festspielhaus passen.
Es war geschickt, die Aufführung innerhalb Bayreuths und nicht nach Berlin zu übertragen. Exklusivität gehört dazu, weshalb auch die 49 Euro für den Internet-Stream gerechtfertigt scheinen. Im Festspielhaus störten die Kameras nicht. Bald werden wohl nach dem Vorbild der New Yorker Metropolitan Opera Aufführungen aus Bayreuth in Kinos auf der ganzen Welt übertragen werden.
Der Event-Wert einer richtigen Bayreuth-Karte wird dadurch ins Unermessliche steigen. Wolfgang Wagner schlurfte noch über den Platz vor dem Festspielhaus in sein Büro und redete mit Passanten. Seine Tochter Katharina zahlt den Preis für die Netrebkoisierung Bayreuths:Wenn sie eine Woche nicht im Fitness-Studio war, denkt jeder, sie trage einen Wagner-Ururenkel im Schoß.
Der Autor ist Musikkritiker der Abendzeitung
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