VW, Daimler, BMW: Wer will was im Kartell-Krimi?

Die deutschen Autobauer schweigen weiter eisern zum Vorwurf illegaler Absprachen. Andere jedoch arbeiten bereits auf Hochtouren. Ein Überblick.
N. Esch, T. Strünkelnberg |
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Absprachen unter Autobauern sind durchaus üblich. Doch haben BMW, VW und Daimler Grenzen überschritten?
Absprachen unter Autobauern sind durchaus üblich. Doch haben BMW, VW und Daimler Grenzen überschritten?

Über Jahre hinweg sollen sich VW, Audi, Porsche, BMW und Daimler in geheimen Zirkeln über ihre Autos, Kosten und Zulieferer ausgetauscht haben. Die Vorwürfe sind drastisch, aber treffen sie auch zu? Absprachen unter Autobauern sind durchaus üblich – zum Beispiel, um Standards für die Ladung von Elektroautos abzusprechen. Die Frage ist, ob eine Grenze überschritten wurde.

Die wichtigsten Akteure schweigen, andere dagegen haben ihr Urteil schon gefällt. Wer alles mitspielt:

DIE AUTOKONZERNE
Anrufe in den Konzernzentralen sind die Mühe derzeit kaum wert: "Kein Kommentar" ist die Antwort – egal, wie die Frage lautet. Bei Volkswagen herrscht ebenso Schweigen wie bei Daimler und BMW. Audi und Porsche verweisen ohnehin nur auf den Mutterkonzern VW. Einer soll den Stein mit einer Art Selbstanzeige bei den Kartellwächtern ins Rollen gebracht haben, aber wer? Berichten zufolge soll es Daimler gewesen sein.

Das kann noch wichtig werden, wenn es darum geht, wer nach der Kronzeugenregelung straffrei ausgeht oder zumindest mit Nachlässen rechnen kann, weil er den Behörden geholfen hat. Ihre Aufsichtsräte werden die Bosse kaum länger hinhalten können. Volkswagen hat die Aufseher außerplanmäßig für Mittwochnachmittag zusammengerufen. Auch bei Daimler steht eine Sitzung an.

DIE WETTBEWERBSHÜTER
Als Staatenbund kann die EU recht behäbig sein. Margrethe Vestager ist es nicht: Die 49-jährige EU-Wettbewerbskommissarin aus Dänemark lässt Konzerne zittern. Auf Vorschlag der Chefaufklärerin kann die EU-Kommission schmerzhafte Strafen von bis zu zehn Prozent des weltweiten Jahresumsatzes gegen Unternehmen verhängen.

Da es beim mutmaßlichen Auto-Kartell um komplexe Untersuchungen womöglich in mehreren EU-Ländern geht, hält die Kommission die Fäden in der Hand. Das Bundeskartellamt rückt dadurch etwas in den Hintergrund. Der Behörde liegen jedoch "Informationen" zu möglichen Absprachen im technischen Bereich vor.

DIE POLITIK
Auf die deutsche Schlüsselbranche mit ihren fast 800 000 Jobs schlägt die Politik in Bund und Ländern nicht leichtfertig ein – darauf können sich die Autobauer verlassen. Den Abgas-Betrug bei VW mochte Kanzlerin Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) lieber keinen Skandal nennen, als sie im Untersuchungsausschuss gefragt wurde. Von den VW-Manipulationen wie vom jetzigen Kartellverdacht erfuhr die Bundesregierung aus den Medien. Im Feuer steht vor allem Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU).

Andere Politiker sorgen sich um den Ruf Deutschlands: "Das Qualitäts-Label ,Made in Germany’ könnte Schaden nehmen", warnt etwa SPD-Verkehrspolitiker Martin Burkert.

DIE ANWÄLTE
Die ersten Anwaltskanzleien trommeln schon und rüsten sich für den nächsten großen Skandal. Gutachten zur Schadenshöhe würden bereits vorbereitet, kündigten Kanzleien an. Deshalb werben sie bereits um Kläger.

DIE AUTOKÄUFER
Was bedeutet der Verdacht – wenn er sich erhärtet – für Autokäufer? Klaus Müller, Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverbands, rechnet mit massiven Nachteilen, wenn Autos weniger wert seien als versprochen.

"Bestätigt sich der Verdacht der Kartellabsprachen, handelt es sich um vorsätzliche organisierte Verbrauchertäuschung", betont Müller. "Verbraucher dürfen am Ende nicht das Nachsehen haben." Zumal aus seiner Sicht auch die von den Dieselmanipulationen betroffenen Autofahrer nach wie vor im Regen stehen. Entschädigungen wie in den USA stehen für VW-Dieselkunden in Europa nicht zur Debatte.

DIE ZULIEFERER
Autohersteller und die Zulieferindustrie sind untrennbar miteinander verbunden. Sollten sich die Autobauer tatsächlich bis in technische Details hinein abgesprochen haben, hätten sie damit wohl auch die Zulieferer geschädigt.

Vor allem kleinere Betriebe, die auf ein bestimmtes Produkt spezialisiert sind, begeben sich in eine große Abhängigkeit.

Transparency fordert höhere Abschreckungen

Transparency International fordert in Anbetracht des Kartellverdachts gegen deutsche Autobauer höhere Strafen für illegale Firmenaktivitäten. "Bislang können Unternehmen zum Beispiel bei Rechtsverstößen lediglich nach dem Ordnungswidrigkeitengesetz verurteilt werden", sagte die stellvertretende Geschäftsführerin des deutschen Ablegers der Nichtregierungsorganisation, Sylvia Schwab. In solchen Fällen betrage die Höchststrafe zehn Millionen Euro. "Das ist eine Summe, die große Unternehmen erstmal nicht unbedingt abschrecken muss", monierte Schwab. Die deutsche Politik sei gefragt, härtere Strafen und gesetzliche Mindeststandards einzuführen.

Schwab verwies in dem Interview auf die Pläne von Justizminister Heiko Maas (SPD) für ein neues Sammelklagerecht in Fällen mit vielen betroffenen Verbrauchern wie dem VW-Abgasskandal. Dieses bleibt wegen eines Streits in der schwarz-roten Regierungskoalition vorerst in der Schwebe.

"Da stellt man sich schon die Frage, welche Interessen wurden hier gehört und wer hat eigentlich die Bundeskanzlerin und den Verkehrsminister hinsichtlich des Umgangs mit dem Abgasskandal beraten zu dem Zeitpunkt", sagte Schwab.

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