Von ISDN zu All-IP: Die Umstellung bei Internet und Telefon

Ende 2018 geht in Deutschland eine technologische Ära zu Ende: Das herkömmliche Telefonnetz wird abgeschafft. Ersetzt wird es durch ein allumfassendes Datennetz.
Jannis Moutafis |
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Umwälzende Änderungen stehen den Telefonkunden bevor.
dpa/Symbolbild Umwälzende Änderungen stehen den Telefonkunden bevor.

Ende 2018 geht in Deutschland eine technologische Ära zu Ende: Das herkömmliche Telefonnetz wird abgeschafft. Ersetzt wird es durch ein allumfassendes Datennetz, über welches nicht nur Sprache und Daten, sondern auch Videos, Bilder und Filme per Internet-Protokoll (IP) übermittelt werden können. Alle Dienste kommunizieren damit in einer gemeinsamen Sprache.

Warum die Umstellung und was genau bedeutet "All-IP"?

Das Telefonnetz basierte zuletzt auf dem ISDN-Standard (Integrated Services Digital Network), einer Technik, die in den 80er Jahren entwickelt wurde. Die digitale Bandbreite, die das ISDN-Netz bietet, ist für das Internet viel zu gering. Daher mussten Provider wie die Deutsche Telekom bisher zwei Netze parallel betreiben – ein ISDN-Netz für die Telefonie und ein Datennetz für den Zugang ins Internet. Letzteres basiert auf dem Internet-Protokoll (IP).

In ihren zentralen Infrastrukturen haben die Provider Telefonie und Datenkommunikation längst in ein einziges IP-basiertes Netz zusammengeführt (daher der Begriff "All-IP"). Das ist einfacher zu warten, bietet mehr Ausbaumöglichkeiten und ist zukunftsorientiert, während die alte ISDN-Technik langfristig nicht mehr weiterentwickelt wird. Noch nicht komplett umgestellt auf die neue All-IP-Technik sind die Strecken zwischen den Schaltzentralen und den Kunden. Mit dieser weiteren Umstellung wird Voice over IP (VoIP), das Telefonieren übers Internet, zum etablierten Standard für alle. Die Ankündigung der Provider, ISDN bis zum Jahr 2018 abzuschalten, hat in den vergangenen Monaten für Aufregung gesorgt.

Dieser notwendige Umstieg betrifft grundsätzlich alle, die noch keinen IP-fähigen-Telefonanschluss haben. In der Regel kontaktieren Provider ihre Kunden und bieten ihnen einen neuen Vertrag an, der meistens eine höhere Bandbreite und damit schnelleres Internet bietet – zu vergleichbaren oder zum Teil auch niedrigeren monatlichen Kosten. Nimmt man das Angebot nicht an, muss man mit einer Kündigung des Vertrags zum Ende der Laufzeit rechnen.

Während Privatleute die Umstellung gelassen abwarten können, ist sie für Unternehmen oft mit einer größeren Umstellungsaktion verbunden. Firmen müssen prüfen, ob altgediente ISDN-Anwendungen auf All-IP weiter betrieben werden können, ob sie diese auf IP-Technik umstellen können, oder ob sie unter Umständen in eine neue Telefonanlage investieren und die Nebenstellen austauschen. Letztere muss allerdings nicht unbedingt in Form einer physikalischen Anlage am Kundenstandort kommen, sondern kann entweder als „All-IP-Gateway“, also als vorgeschaltetes Gerät hinzugefügt werden. Oder, die gesamte Telefonie wird einfach über einen Cloud-Dienst eines Providers bezogen (zum Beispiel über O2, NFON, Sipgate oder Skype for Business).

Was kann Telefonie über All-IP?

In Sachen Telefonie kann All-IP so ziemlich alles, was ISDN-Leitungen können, plus einiges mehr. Auch ein All-IP-Anschluss bietet mindestens zwei Telefonleitungen mit Rufnummern oder Rufnummernblöcken, die gleichzeitig genutzt werden können, sowie typische ISDN-Features wie Anklopfen, Makeln und das Zusammenführen mehrerer Teilnehmer zu einer Konferenzschaltung. Darüber hinaus ist Telefonie in HD-Qualität möglich. Damit klingt Sprache übers Telefon wieder natürlicher.

Der Betrieb eines eigenen Anrufbeantworters erübrigt sich in der Regel auch, diese Funktion gehört inzwischen zum Standard bei All-IP-Anschlüssen und wird über das Netz vom Anbieter bereitgestellt.

Zudem ist der All-IP-Anschluss grundsätzlich schneller. Schon bei einer 16.000 Mbit/s-Leitung, einem ADSL-Anschluss, steigt die Upload-Geschwindigkeit um mehr als das doppelte, von 1 auf 2,4 Mbit/s. Durch eine neue Technik namens "Vectoring" (VDSL2) sind über herkömmliche Kupferleitungen sogar 100 Mbit/s im Downstream und 40 Mbit/s im Upstream möglich.

Anders als herkömmliche Telefonleitungen, die eine eigene Stromversorgung haben, ist All-IP jedoch vom allgemeinen Stromnetz abhängig. Fällt der Strom aus, muss man das Handy bemühen.

Welche Vorteile hat All-IP?

Für Kunden bietet die All-IP-Umstellung viele Vorteile. Zunächst wird die Installation des Anschlusses einfacher, denn das DSL-Signal muss nicht wie bei herkömmlichen Anschlüssen über einen Splitter in eine Telefon- und eine Datenleitung aufgeteilt werden. Man betreibt nur einen All-IP-Router, der in der Regel mehrere Ethernet-Anschlüsse, WLAN und oft ISDN-Anschlüsse bietet.

Viele Provider bieten die Anbindung von Mobiltelefonen in das Festnetz an, so dass mit dem Handy über den Festnetzanschluss zum günstigen Festnetztarif telefoniert werden kann.

Darüber hinaus bietet All-IP viele neue Features für den Arbeitsalltag, die vor allem für Selbstständige, Gewerbetreibende und kleinere Unternehmen interessant sein dürften. All-IP vereinfacht die Kommunikation und Zusammenarbeit in Unternehmen und reduziert die Komplexität der technischen Infrastruktur, denn alle Geräte sprechen die gleiche Sprache – nämlich IP. Dadurch sind E-Mail, Telefon, Fax, Instant Messaging, Videokonferenzen und Web Collaboration innerhalb eines IP-Netzwerks flexibel über alle Geräte und ohne Medienbrüche verfügbar.

Zudem können die Anschlüsse für Geschäftskunden sehr einfach mit einer Telefonanlage ausgestattet werden, die der Provider als Service aus der Cloud bietet. Der Kauf von Hardware und die Installation einer TK-Anlage im eigenen Büro und der dazugehörige Wartungsvertrag entfallen komplett. Eine solche Anlage ist in der Regel flexibel konfigurierbar. Das bedeutet, man zahlt nur für die Anzahl der Nebenstellen, die man tatsächlich braucht.

Zu den Vorteilen solcher Anlagen gehört außerdem, dass der Festnetzanschluss mobil wird. Nicht nur kann der Anschluss über eine entsprechende Software am PC, am Tablet oder am Smartphone genutzt werden. Ein mit der Festnetznummer konfiguriertes IP-Telefon funktioniert überall, wo ein Internet-Anschluss vorhanden ist.

Worauf sollte man bei der All-IP-Umstellung achten?

Bei Privatkunden und kleineren Anschlüssen ohne Telefonanlage ist die Umstellung unkompliziert. Lediglich der DSL-Router müsste ausgetauscht werden, falls der bisherige nicht für den Standard "Annex J" ausgelegt ist. Für Privatkunden und Selbständige sind IP-fähige Router so ausgestattet, dass darüber auch analoge Telefone oder Fax-Geräte angeschlossen und weiterhin betrieben werden können. Für Geschäftskunden stehen Router mit gängigen ISDN-Schnittstellen zur Verfügung.

Bei der Umstellung von ISDN-Anschlüssen bei Unternehmen gibt es drei Punkte zu beachten:

1. Ist die Telefonanlage IP-fähig?

Das kann sehr gut sein, falls die Anlage nicht älter als fünf Jahre ist, denn die Hersteller haben bereits Ende der Nuller Jahre damit angefangen, ihre TK-Anlagen auch für IP auszulegen. Falls nicht, kann diese über eine ISDN-Schnittstelle am Router weiterbetrieben werden. Alternativ kann eine neue Telefonanlage angeschafft oder eine Anlage aus der Cloud gemietet werden.

2. Betreiben Sie ISDN-Endgeräte?

Damit sind primär ISDN-Telefone gemeint. Falls diese direkt an der ISDN-Leitung hängen, können sie in der Regel auch an den ISDN Schnittstellen der Router betrieben werden. Werden sie über die TK-Anlage betrieben, können diese ebenfalls weiter verwendet werden. ISDN-Modems, die bei ISDN für die Datenübertragung benutzt wurden, müssten hingegen ausgemustert werden.

3. Betreiben Sie ISDN-Anwendungen?

Das könnte der Fall sein, falls Ihr Haus oder Betriebsgebäude mit einer Alarmanlage ausgestattet ist, die einen Notruf absetzt. Das gleiche gilt für das Notruftelefon im Aufzug Ihres Gebäudes. Auch falls Sie Maschinen in Betrieb haben, die vom Hersteller ferngewartet werden, sollten Sie prüfen, auf welchem Weg der Hersteller auf die Maschine zugreift. In der Vergangenheit war auch hierfür ISDN das Mittel der Wahl. Bei diesen Anwendungen muss im Detail geprüft werden, ob sie auf IP funktionieren oder durch IP- oder Mobilfunkdienste ersetzt werden.

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