Versicherung: Rauswurf nach 30 Jahren
Die Axa-Unfallversicherung kündigt einer AZ-Leserin, obwohl diese nie einen Schaden meldete. Die Begründung: Für die Gesellschaft rechnete sich der Tarif nicht mehr
MÜNCHEN Das Schreiben der Axa-Versicherung war nüchtern. „Sehr geehrte Frau Meyer“, teilte das Unternehmen mit, „Ihre Unfallversicherung kann aufgrund der nachhaltig negativen Schadenentwicklung in der Unfallsparte nicht über die nächste Hauptfälligkeit hinaus fortgeführt werden“. Deshalb kündige die Gesellschaft den Vertrag.
AZ-Leserin Inge Meyer hatte den Vertrag vor über 30 Jahren für sich, ihre Tochter und drei Enkelkinder abgeschlossen und nie in Anspruch genommen. Zuletzt zahlte sie 442 Euro im Jahr. Dafür sicherte sie sich Zahlungen im Fall eines Unfalles oder bei Invalidität.
Besonders ärgerlich für sie: Bei der Unfallversicherung bedeutet ein fortgeschrittenes Alter des Kunden für den Versicherer ein höheres Risiko. Deswegen bekommen ältere Interessenten keine Verträge, oder sie müssen sich mit schlechteren Konditionen abfinden. So auch Inge Meyer: Eine Police, die wie bisher die Tochter und die Enkelkinder miteinschloss, wurde ihr nicht mehr angeboten. Statt dessen musste sie getrennte Verträge abschließen. Der Schutz, den sie jetzt im Fall eines Unfalles hat, beträgt nur rund die Hälfte dessen, was ihr vorher zugesichert worden war.
Und Inge Meyer ist kein Einzelfall. „Wir mussten viele Kündigungen rausschicken“, heißt es bei ihrem Versicherungsmakler. Das Maklerbüro kann nichts dafür – die Axa hat dieses Vorgehen angeordnet. Auf Nachfrage der AZ erläutert die Axa wenigstens die Gründe für das wenig kundenfreundliche Vorgehen. Es habe damit zu tun, dass die Versicherung vor Jahren für die Belegschaft der deutschen Philips Sonderkonditionen angeboten habe. Zu diesen Verträgen gehörte der von Inge Meyer.
„Der Grund für die Beendigung liegt nicht bei den Einzelverträgen von Frau Meyer“, heißt es bei der Axa, „sondern in der gesamthaft negativen Schadenentwicklung dieser Kollektivvereinbarung“. Das Verhältnis von Einnahmen zu Leistungen sei „in einem für uns wirtschaftlich nicht mehr tragfähigen Verhältnis“ gestanden. Mit anderen Worten: Die Versicherung ködert junge Beschäftigte mit einem günstigen Angebot. Jahrzehnte später, wenn diese Menschen älter sind und naturgemäß höhere Zahlungen auftreten, entledigt sich die Axa der Verträge. Im Fall von Inge Meyer machte sie dabei ein gutes Geschäft.
Rechtlich ist das Vorgehen der Axa nicht anzufechten, heißt es bei der Stiftung Warentest. Auch Anke Puzicha vom Bundesverband der Verbraucherzentralen sagt: „Dieser Vorgang ist vielleicht empörend, aber juristisch wasserdicht.“ Für Kunden, die mit dem Gedanken spielen, selbst eine Unfallversicherung abzuschließen, sollte Inge Meyers Erfahrung eine Warnung sein – zumal die Gesellschaften nach den Erfahrungen von Verbraucherschützern im Schadensfall häufig versuchen, die Ansprüche der Kunden juristisch abzuwimmeln. sun