"Vergessen Sie die Bestnoten für Pflegeheime im Internet"
AZ: Woran erkennt man ein gutes Pflegeheim? Kann ich mich an den Bewertungen im Internet orientieren?
CLAUS FUSSEK: Vergessen Sie’s. Diese Bestnoten im Internet mit 95- bis 100prozentiger Kundenzufriedenheit sind von einer nordkoreanischen Absurdität. Bedenken Sie, dass die Menschen, die diese Noten angeblich gegeben haben, in der Regel nie in ein Pflegeheim wollten und schon gar nicht in ein Doppelzimmer mit fremden Menschen. Fragen Sie deshalb besser den örtlichen Notarzt und den Bestatter. Die haben oft mit dem Heim zu tun, und sie kommen unangemeldet. Gehen Sie zum Friseur, zum Zahnarzt, dorthin, wo über diese Heime gesprochen wird. Und das Wichtigsten ist: Das Heim muss in der Nähe der Angehörigen sein, damit sie den alten Menschen besuchen können. Das größte Problem im Heim ist die Einsamkeit.
Würden Sie auch mit dem Heimbeirat sprechen?
Nein, denn diese Menschen sind von der Heimleitung abhängig. Nehmen Sie das Heim in Augenschein, zu verschiedenen Tageszeiten, achten sie auf die Details: Sind Sie willkommen, oder haben Sie das Gefühl, sich für die Demenz Ihrer Mutter oder Ihres Vaters entschuldigen zu müssen? Kommen Sie an einem Sommerabend mit Biergartenwetter um 18 Uhr – sitzen viele Bewohner im Garten oder sind sie trotz des schönen Wetters drinnen? Überlegen Sie: Wäre es in diesem Heim denkbar, dass einem Menschen eine halbe Stunde lang beim Essen geholfen wird – oder ist das nicht drin? Arbeitet das Heim mit dem örtlichen Hospiz zusammen? Interessieren sich die Pflegkräfte für die Lieblingstasse ihrer Mutter, aus der sie immer getrunken hat – oder sehen Sie überall nur Schnabeltassen? Gibt es ehrenamtliche Heilfer? Und fragen Sie die Heimleitung nach Beschwerden – wenn die Antwort lautet „gibt’s bei uns nicht“, wäre mir das suspekt.
„Wie erkennen Sie die Qualität von Pflegediensten und Alten- und Pflegeheimen?“ Broschüre der Landeshauptstadt München, Beschwerdestelle für Probleme in der Altenpflege, Burgstraße 4
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