Vamos a Baviera!

Wegen der Immobilienkrise kommen immer mehr Spanier mit Kind und Kegel nach Bayern
MÜNCHEN Der Schnee! Auf La Palma gibt’s ihn nicht – deswegen zieht es ja so viele Münchner jedes Jahr über den Winter auf die Kanaren. Werner Santiago und seine Familie haben die Reise in die andere Richtung gemacht. Jetzt lernten sie den ersten Schnee ihres Lebens kennen, und denken gar nicht daran, zu jammern. „Wir finden den bayerischen Winter großartig!“
Zur Not auch eine Arbeit, die nicht ganz der Ausbildung entspricht. Die Suche nach einem Job brachte den 33-jährigen Santiago, seine Frau und die sechsjährige Tochter Odaris von La Palma nach Deutschland, genauso wie viele andere Spanier, die zurzeit einen Neustart im Freistaat wagen. „Ich hatte eine Stelle als Maschinenbauingenieur“, berichtet Santiago. Die Arbeit war gut – aber der Lohn blieb zuletzt aus. Also entschloss er sich, auszuwandern. Jetzt arbeitet Santiago als Elektriker bei der Eichenauer Firma Braun. Klar, der Job entspreche nicht seiner Ausbildung, sagt er. Aber was nicht ist, kann ja noch werden.
"Wir brauchen unbedingt Fachkräfte" Bei Braun sind mittlerweile gleich drei Spanier beschäftigt, die die Schuldenkrise um Jobperspektiven in ihrer Heimat brachte. Für bayerische Firmen ist die hohe Arbeitslosigkeit in Spanien eine Chance. „Wir brauchen unbedingt Fachkräfte“, berichtet Manfred Sirges. Er ist der Boss der drei Neuankömmlinge und schon Kraft seiner Herkunft der ideale Ansprechpartner für sie. Sirges entstammt einer deutsch-spanischen Familie, spricht fließend Spanisch, hilft den Neuen nach Kräften.
Heirat am 8. März. „Ein großes Problem ist der Mietmarkt“, berichtet er. Wer vermietet seine Wohnung schon an einen Zuwanderer, der gerade mal „Grüß Gott“ versteht, aber sonst kaum ein Wort Deutsch? Santiago und seine Familie haben immerhin eine Wohnung in der Nähe von Pfaffenhofen gefunden, Santiagos Kollege Miguel Lopez Mendez wohnt samt Frau und den drei Kindern in Mammendorf. Aber Sirges’ dritter spanischer Mitarbeiter Francisco Lazaro ging leer aus. Kurzerhand zog Sirges deshalb zu seiner Freundin und überließ Lazaro, der am 8. März seine schwangere Freundin heiraten will, die Wohnung.
Unseriöse Geschäftemacher nutzen Einwanderer aus. Anders als Mendez und Santiago kam Lazaro übrigens nicht über Anzeigen der Handwerkskammer in ihrer Heimat nach Deutschland. Ihn heuerte eine Putzfirma an, zusammen mit rund hundert anderen Arbeitssuchenden aus Spanien. „Wir haben zuerst auf einem Zeltplatz gewohnt, später in einer Wohnung in Pasing, acht Menschen in zwei Zimmern“, berichtet er. Unseriöse Geschäftemacher, die aus der Notlage vieler Spanier Profit schlagen.
Gastarbeiter? Nein - diese Familien wollen von Anfang an hier bleiben. Der Zustrom der Spanier nach Bayern erinnert an die 1960er Jahre – nur dass die Neuankömmlinge diesmal von Anfang an entschlossen sind, in Deutschland Wurzeln zu schlagen. Die Kinder kommen gleich mit, auch wenn die Eingewöhnung in der fremden Umgebung der Familie große Opfer abnötigt.
Umstellen müssen sich freilich auch die Firmen. Auf dem spanischen Arbeitsmarkt gelten andere Regeln als in Deutschland. Arbeitszeugnisse sind weitgehend unbekannt, deutsche Ansprüche an Ordnung am Arbeitsplatz auch, berichtet Sirges und deutet auf eine Steckdosenfassung, die aus einer Wand heraushängt. „Ein Spanier sagt sich: Hier arbeite ich morgen weiter – bis dahin kann die Steckdose bleiben, wie sie ist“, sagt Sirges. Die deutsche Firma besteht dagegen darauf, dass die Dose sauber in der Wand verstaut wird, und sei es nur über Nacht – es könnte ja sein, dass sich jemand daran verletzt.
Nur der Fisch ist nicht so frisch. Und die Deutschen? Die Einwanderer fühlen sich in Bayern willkommen. „Ich finde das persönliche Klima hier nur manchmal steif“, sagt Miguel Lopez Mendez. „Ich grüße, und keiner antwortet – als ob sich die Menschen wegen eines ’Hallo’ fürchten würden.“ Werner Santiago Medina vermisst den frischen Fisch seiner Heimat – von Heimweh mag er trotzdem nicht sprechen. Hier lebt er, hier will er bleiben – schließlich schmeckt das bayerische Essen ja auch nicht übel. sun