Umwelthilfe: Software-Updates? "Absurd"

Die Umwelthilfe zieht eine vernichtende Bilanz des Dieselgipfels. Welche Maßnahmen die Aktivisten fordern – und was sie kritisieren.
In dem dezent hellblauen Hemd, der rot gestreiften Krawatte und dem dunklen Anzug würde er glatt als Manager durchgehen – auch in der Autoindustrie, die auf den gepflegten Auftritt besonders viel Wert legt. So wie sich viele Menschen einen Umweltaktivisten vorstellen, sieht Jürgen Resch nun wirklich nicht aus. Doch der Eindruck täuscht. Der weißhaarige Mann mit der schwarzen Brille ist Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH), die die mächtigen Bosse der deutschen Autobauer seit Beginn des Skandals um Abgas-Tricksereien bei Dieselautos vor sich hertreibt.
Zwei Wochen nach dem „Dieselgipfel“ zwischen Bundesregierung und Autobranche zog Resch gestern in Berlin eine vernichtende Bilanz des Erreichten. Die dabei beschlossenen Maßnahmen, etwa ein Software-Update für fünf Millionen Dieselfahrzeuge, würden demnach die teils weit über den geltenden Grenzwerten liegende Stickoxid-Belastung in vielen deutschen Städten nicht oder nur kaum reduzieren. An Fahrverboten führe deshalb kein Weg vorbei. Resch: „Wir wollen saubere Luft in Deutschland, und zwar spätestens im Jahr 2018.“ Nach Bewertung aller bisher öffentlich zugänglichen Informationen über die beschlossenen Maßnahmen sei davon auszugehen, dass sich die Stickoxid-Werte im Winterhalbjahr überhaupt nicht änderten.
Die DUH will weiter vor Gericht für Fahrverbote kämpfen
Im Sommerhalbjahr sieht die Umwelthilfe allenfalls eine mögliche Stickstoffreduzierung um weniger als fünf Prozent. Hintergrund der jahreszeitlichen Unterschiede ist, dass sich die Abgasreinigung von Dieselfahrzeugen bei bestimmten Temperaturen ausschaltet. „Diese Placebo-Software-Updates werden nicht verhindern, dass die Fahrzeuge von den kommenden Fahrverboten betroffen bleiben“, sagt Resch. Und daran, dass die DUH weiter vor Gericht für die Fahrverbote streiten wird, lässt Resch keinen Zweifel. In 16 deutschen Städten klagt die Umwelthilfe derzeit für Fahrverbote für Diesel-Autos ab dem Jahr 2018. Nur so sei die Luftbelastung mit Stickoxiden schnell zu reduzieren. Das „Dieselabgasgift“ sei für mehr als 10 000 vorzeitige Todesfälle im Jahr verantwortlich – und für eine Vielzahl ernster Erkrankungen. Betroffen seien gerade Kleinkinder, Alte und Kranke. Nicht nur die Bewohner der Städte mit hoher Verkehrsbelastung seien gefährdet, auch Millionen von Pendlern, die die Abgase täglich im Berufsverkehr ungenurfiltert abbekämen. Für Stuttgart hat das Verwaltungsgericht ein Fahrverbot bereits für zulässig erklärt, doch der Rechtsstreit dauert an. In anderen Städten rechnet die DUH bald mit ähnlichen Entscheidungen.
Nur durch technische Nachrüstungen der „Millionen manipulierten Dieselautos“ könne erreicht werden, dass die Grenzwerte eingehalten werden. Dies, so Resch, sei technisch möglich, auch zu vertretbaren Kosten, das hätten eigene Untersuchungen der DUH gezeigt. Die beim Dieselgipfel beschlossenen Software-Updates dagegen nennt er „absurd“. Bei manchen Modellen ergäben Vorher-Nachher-Messungen hinterher sogar höhere Stickoxid-Emissionen – etwa beim VW-Pritschenwagen Amarok. In den von den deutschen Autoherstellern angekündigten Umstiegsprämien sieht die Deutsche Umwelthilfe eine „höhnische Verkaufsförderungspolitik für schmutzige Diesel“.
Allenfalls, wenn sich die Maßnahmen rein auf Benzin-, Erdgas, Hybrid- oder Elektrofahrzeuge beschränkten, könne ein minimaler Effekt erzielt werden. Stattdessen würden ausgerechnet für die „Dinosaurier der Autoindustrie“ wie schwere Diesel-Geländewagen die höchsten Prämien bezahlt. Der ebenfalls beschlossene, mit 500 Millionen Euro ausgestattete Zukunftsfonds sei im Hinblick auf kurzfristig wirksame Maßnahmen ein „Komplettausfall“. Nicht einmal auf die sofortige Umrüstung aller Fahrzeuge des öffentlichen Nahverkehrs hätten sich die „Regierung und ihre Auftraggeber aus der Automobilindustrie“ einigen können und wollen. Resch fordert Maßnahmen, die sofort wirksam sind. Deshalb will er auch in die Diskussion um eine mögliche Quote für Elektroautos nicht allzu tief einsteigen. In Deutschland sei zu lange über mittel- und langfristige Maßnahmen diskutiert worden. Ohne Erfolg. Technische Nachrüstung oder Fahrverbote – andere Möglichkeiten sieht Resch nicht.