TTIP: Gefahren und Chancen

Heute beginnt die nächste Runde der Verhandlungen um das Freihandelsabkommen zwischen USA und EU. Die AZ erklärt, wo die Gespräche stehen – und woran es hakt
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Die USA und die EU - mit zusammen 800 Millionen Einwohnern wären sie die größte Freihandelszone der Welt.
Die USA und die EU - mit zusammen 800 Millionen Einwohnern wären sie die größte Freihandelszone der Welt.

Heute beginnt die nächste Runde der Verhandlungen um das Freihandelsabkommen zwischen USA und EU. Die AZ erklärt, wo die Gespräche stehen – und woran es hakt

München - Ab heute wird wieder in Brüssel verhandelt – die vierte Runde im Ringen um das geplante Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA, kurz TTIP. Es verunsichert die Deutschen: Fast 430000 Menschen haben in den letzten Wochen den Appell „Stopp TTIP“ der Plattform Campact e.V. unterschrieben. „Verkauft nicht unsere Zukunft“, heißt es darin. Konkret ist es die Sorge vor Chlor-Hähnchen, Genfood und der Übermacht von US-Konzernen, die die Unterzeichner umtreibt. Zuletzt hatte auch Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) vor Gefahren „aus umweltpolitischer Sicht“ gewarnt. Auch auf der anderen Seite des Atlantiks gibt’s viele Bedenken – so dass ein Scheitern denkbar ist. Die AZ gibt einen Überblick, wo die Verhandlungen stehen, was sich die EU erhofft und wo es hakt.

Was steckt hinter TTIP? Über das Transatlantische Handels- und Investitionsabkommen verhandeln die Europäische Kommission und die USA seit Sommer 2013. Kommt es zur Einigung, entsteht die größte Freihandelszone der Welt mit rund 800 Millionen Menschen – EU und USA versprechen sich einen kräftigen Schub: mehr Wachstum, mehr Handel, mehr Arbeitsplätze. In optimistischen Schätzungen rechnen Experten in Europa mit einer zusätzlichen Wirtschaftsleistung von 120 Milliarden Euro pro Jahr sowie mit 400000 neuen Arbeitsplätzen, ein Viertel davon in Deutschland. Schon heute ist Deutschland wichtigster Handelspartner der USA in der EU – mit 30 Prozent aller Exporte.

Was soll TTIP verändern? Handelsbarrieren sollen abgebaut werden. Zwar sind die Zölle zwischen der EU und den USA schon jetzt niedrig, doch die EU verspricht sich von einer Abschaffung oder weiteren Senkung satte Einsparungen. Profitieren könnten vor allem Produzenten, die derzeit sehr hohe Zölle zahlen müssen: etwa von Lastwagen (25 Prozent) oder Milchprodukten (19 Prozent). Und am Ende soll das auch der Verbraucher im Geldbeutel merken – wenn die Industrie die Einsparungen denn weitergibt: Der Verband der Automobilindustrie geht davon aus, dass der Autokauf günstiger wird. Allerdings kam gerade heraus, dass die Zins-Verhandlungen an einem Tiefpunkt sind: Den bisherigen Vorschlag aus den USA findet die EU-Kommission „enttäuschend“. Eine enge Zusammenarbeit ist auch im Bereich Standards und Regulierungen geplant, zum Beispiel bei Ladegeräten oder Elektroautos.

Gibt’s dann Chlorhähnchen und Fracking? Das sind die Befürchtungen der Kritiker. So wird in den USA Geflügelfleisch in einem Chlorbad behandelt. Doch was in den USA erlaubt und von Verbrauchern akzeptiert ist, lässt hier erschaudern. Die EU-Kommission hält dagegen: Strenge Vorschriften im Verbraucherschutz seien in der EU durch Gesetze geregelt und nicht verhandelbar. Bedeutet: Chlor-Hendl und Hormonfleisch bleiben verboten. Bei gentechnisch veränderten Pflanzen müsste wie schon jetzt die EU-Behörde für Lebensmittelsicherheit prüfen. Thema Fracking: Wo die umstrittene Förderung von Gas gesetzlich verboten ist – wie in Frankreich und Bulgarien – kann das durch ein Freihandelsabkommen nicht in Frage gestellt werden. „Kein europäischer Schutzstandard wird auf Grund des Freihandelsabkommens aufgegeben“, sagte EU-Handelskommissar Karel De Gucht. „Das gilt sowohl für Nahrungsmittel, Sozialstandards als auch für Datenschutz.“

Was hat es mit den Plänen zur Investoren-Sicherheit auf sich? Der so genannte Investitionsschutz soll laut Kommission eine faire Behandlung von in- und ausländischen Investoren garantieren. Die diskutierten Maßnahmen rufen aber Kritiker auf den Plan: Durch nicht-öffentliche Schiedsgerichte könnten Konzerne wohl leichter Schadensersatzklagen gegen Staaten durchsetzen – wenn ihnen etwa aufgrund neuer Gesetze Profite entgehen. Der Protest hat Wirkung gezeigt: Die Verhandlungen über das Kapitel Investorenklagerecht sind ausgesetzt.

Wo stehen die Verhandlungen? Drei Mal haben sich Vertreter der EU und der USA bereits offiziell getroffen. Und immer lautete der Vorwurf: zu wenig Transparenz. Die EU-Kommission versprach Besserung. Ob’s wirklich so kommt, wird sich diese Woche zeigen: Von heute bis Freitag wird in Brüssel verhandelt. Themen: Zollsenkungen, Marktzugang und öffentliche Ausschreibungen. Ein Durchbruch wird nicht erwartet.

Wie steht es um das Handelsabkommen mit Kanada? Das ist fast fertig. Doch erst jetzt – durch TTIP – gerät der Handelsvertrag, den die EU seit 2009 mit Kanada ausgehandelt hat (Ceta), ins öffentliche Bewusstsein. Besonders heikel: eine ähnliche Investitionsschutzregel wie im US-Abkommen – und diese soll sich auch an US-Firmen richten, die einen größeren Ableger in Kanada unterhalten. Die Befürchtung: eine Klagewelle durch die Hintertür.

 

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