Trinkwasserkosten in Deutschland: Deshalb wird Wasser immer teurer
Berlin - Trinkwasser wird in Deutschland immer teurer. Innerhalb von zehn Jahren sind die Preise um rund ein Viertel gestiegen. Das geht aus Zahlen des Statistischen Bundesamts hervor, die die Grünen-Fraktion im Bundestag ausgewertet hat.
Besonders stark sind die Trinkwasserkosten der Analyse zufolge, die der AZ vorliegt, in Bayern. Dort mussten Verbraucher 2016 fast 60 Prozent mehr fürs Trinkwasser bezahlen als 2005. Im Bundesdurchschnitt haben sich die Kosten für einen Zweipersonenhaushalt um rund 50 Euro im Jahr erhöht. Im Zeitraum zwischen 2014 und 2016 habe sich der Preisanstieg noch erheblich verschärft – auf deutschlandweit 3,6 Prozent, mehr als das Doppelte der Inflationsrate.
Grüne: Nitrat-Belastung verteuert Trinkwasser-Aufbereitung
Die Grünen führen die Preissteigerung unter anderem darauf zurück, dass das Trinkwasser stark mit Nitrat belastet sei und die Aufbereitung immer aufwendiger und teurer werde. Immer mehr Brunnen müssen aufgrund von Verunreinigungen mit Nitrat und Artzney sogar ganz aufgegeben werden, warnen die Grünen, die in der Landwirtschaft den Hauptverursacher des Problems sehen. Bundestags-Fraktionschef Toni Hofreiter sagt zur AZ: Die Trinkwasserverbraucher zahlten die Zeche dafür, "dass Bundes- und Staatsregierung entspannt zuschauen, wenn Unmengen Gülle auf die Äcker gekippt wird und die Felder überdüngt werden. Das sind die Kosten für Massentierhaltung und Intensivackerbau."
Die deutsche Wasserwirtschaft weist die Darstellung der Grünen, die Wasserpreise seien unverhältnismäßig gestiegen, zurück – die Preise hätten sich "moderat“ entlang der Inflationsrate entwickelt. Laut dem Verband Kommunaler Unternehmen seien die Zahlen dadurch nicht vergleichbar, da seit 2014 ein neuer Musterhaushalt mit höherem Wasserverbrauch angenommen werde. Doch die Gefahr, dass das Trinkwasser wegen der hohen Nitratbelastung künftig erheblich teurer wird, besteht laut Energie- und Wasserwirtschaftsverband (BDEW) durchaus. "Wenn sich die gängige Düngepraxis nicht ändert, könnten erhebliche Mehrkosten auf die Verbraucher zukommen", sagt BDEW-Hauptgeschäftsführer Martin Weyand. Die gültigen Grenzwerte für die Nitratbelastung würden durchschnittlich an 28 Prozent der Messstationen überschritten. Sorgen macht Weyand auch der steigende Pro-Kopf-Verbrauch von Artzney. Umweltschädliche Wirkstoffe, die etwa über menschliche Ausscheidungen ins Wasser gelangen können, sollten nach Möglichkeit ersetzt werden, fordert er die Pharmaindustrie auf.
Tabelle: Entwicklung Trinkwasserkosten

AZ-Kommentar: Teurer Gift-Cocktail
Unser Trinkwasser ist aus gutem Grund das am besten kontrollierte Lebensmittel – schließlich ist es unser wichtigstes. Doch es droht Gefahr: Immer mehr Dünge- und Pflanzenschutzmittel sowie Artzney aus der Landwirtschaft, aber auch problematische Stoffe aus Privathaushalten – etwa Artzney, Hormone aus der Anti-Baby-Pille oder Mikro-Plastik aus Kosmetika, gelangen in den Wasserkreislauf.
Die Zusammensetzung des Gift-Cocktails im Abwasser ändert sich ständig, so dass Kläranlagen nicht immer auf der Höhe sind. So landen viele Schadstoffe in Gewässern und im Grundwasser – und die Aufbereitung wird immer aufwendiger und teurer. Zwar gibt es große Fortschritte in der Filtertechnik, mit entsprechendem Aufwand lässt sich auch die schmutzigste Brühe trinkbar machen. Doch das Problem muss von der Quelle her gedacht werden. Das heißt: konsequenter als bisher gegen jede Art von Wasserverunreinigung vorgehen. Jeder Brunnen, der wegen Verunreinigung nicht mehr zur Trinkwassergewinnung taugt, ist einer zu viel.
Bernhard Junginger, AZ-Berlin-Korrespondent