Todesdrohungen für Mister X

Er hat den größten Steuerskandal der Bundesrepublik aufgedeckt – und fürchtet nun um sein Leben: der geheimnisvolle Informant aus Liechtenstein.
von  Abendzeitung
Zentrale des BND: Der Dienst hatte „keinen Nachteil“ aus dem Kauf der Daten – sprich: Das Finanzministerium zahlte.
Zentrale des BND: Der Dienst hatte „keinen Nachteil“ aus dem Kauf der Daten – sprich: Das Finanzministerium zahlte. © dpa

Er hat den größten Steuerskandal der Bundesrepublik aufgedeckt – und fürchtet nun um sein Leben: der geheimnisvolle Informant aus Liechtenstein.

Er war es, der deutschen Agenten die CD-Rom mit den Namen von 1000 prominenten Steuerbetrügern anbot. Und der BND griff zu. Für 4,2 Millionen Euro. Abgesegnet von Finanzminister Peer Steinbrück. Was auch die Frage aufwirft, ob sich der Staat auf grauen Wegen Informationen kaufen sollte. Aber die Rendite ist nicht schlecht: 4,2 Millionen Einsatz für bis zu vier Milliarden Euro Einnahmen.

Es begann im Jahr 2006, als sich ein Informant aus Liechtenstein beim BND meldete. Wer er ist, darüber kann nur spekuliert werden, da er zwingend anonym bleiben will. Aber er hatte auf jeden Fall Zugang zu den geheimsten Daten der LGT-Bank. Steuerfahnder wissen, dass ihre beste Quelle wütende Ehefrauen oder gemobbte Bank-Mitarbeiter sind.

Zunächst Arbeitsproben geliefert

Er bot den BND-Agenten Namen und Daten von Steuerflüchtlingen an: Großmanager, Künstler, Mittelständler, Sportler, Leistungsträger aus allen politischen und gesellschaftlichen Bereichen. Der Geheimdienst zeigte sich interessiert, verlangte aber Arbeitsproben. Und der Informant lieferte, zunächst 14 Fälle. Die BNDler konnten mit den verschachtelten Zahlenkonstrukten nicht viel anfangen, reichten sie an echte Experten weiter – Spezialisten von der Steuerfahndung Wuppertal. Und die bekamen glänzende Augen.

Unter Vermittlung des BND trafen sich Wuppertaler Steuerfahnder mindestens zweimal mit Mister X. Der lieferte Depotauszüge, Korrespondenzen, die Dienstvorschriften des Fürstentums zur Verschleierung von Finanzströmen... 4,2 Millionen Euro verlangte er für die komplette CD-Rom, nach anderen Quellen waren es fünf Millionen.

Ganz oben abgesichert

Der BND hatte Muffensausen: „Man stelle sich vor, wir wären einem Betrüger aufgesessen, hätten dafür Geld gezahlt, und die Geschichte wäre hochgegangen, dann hätten wir einen neuen BND-Skandal gehabt“, so ein Vertreter des Geheimdienstes gestern. Deswegen – und wegen der hohen Summe – sicherte man sich lieber „oben, das heißt in diesem Fall ganz oben“ (so der BND-Mann) ab.

In der Tat bestätigt das Finanzministerium, eingeweiht gewesen zu sein. Steinbrück wusste von dem Deal und hat ihn abgesegnet, bestätigte sein Sprecher Thorsten Albig. Man habe sichergestellt, „dass es beim BND in dessen Etat zu keinem Nachteil kam“. Sprich: Das Finanzministerium hat die Kosten übernommen. Auch das Kanzleramt habe Bescheid gewusst. Detail am Rande: Laut ZDF gab es Streit, ob der Bund zahlt oder das Land NRW.

Rund 1000 Namen auf der CD-Rom

Dann schlossen die Behörden einen formellen Vertrag mit dem Informanten, überwiesen seine Millionen auf das Konto eines Notars. Als sie seine CD-Rom in Händen hielten, gaben sie das Geld für ihn frei. Und die Ermittlungen rollten an: Zumwinkel ist nur einer von rund 1000 Namen auf der CD-Rom.

Bei Mister X liegen die Nerven allerdings mittlerweile blank. Er will nie als Zeuge auftreten und verlangt umfassenden Personenschutz und eine neue Identität. Denn der Mann, der Zumwinkel stürzte und 1000 mächtige Reiche zittern lässt, fürchtet nun um sein Leben, heißt es. „Er hat schon mehrere Todesdrohungen erhalten“, zitiert die Agentur ddp Liechtensteiner Sicherheitskreise. Er habe aus dem großen Kreis der bedrängten Steuersünder „Unheil zu befürchten“.

Der BND selbst wollte zu nichts Stellung nehmen: Erst müsse man am Mittwoch das zuständige Bundestagsgremium informieren. Einige Abgeordnete sind ohnehin bereits verärgert, dass der Geheimdienst so einen Deal ohne ihr Wissen laufen hatte. Auch wenn klar ist, dass der Staat auf jeden Fall profitiert hat: Die vorsichtigsten Schätzungen, was der Staat nun an hinterzogenen Steuern eintreibt, belaufen sich auf 300 Millionen Euro. Schon das wären 296 Millionen mehr als der Kaufpreis für die CD-Rom. Das Finanzministerium spricht von „mehreren hundert Millionen Euro“, die Ermittler gehen von noch mehr aus: „Es geht um weit über drei Milliarden Euro“, so ein Bochumer Staatsanwalt. Auch von vier Milliarden ist die Rede.

Ungewöhnliches Vorgehen

Ein bisschen Skepsis bleibt: „Es darf keine Arbeitsvermischung von Polizei, Justiz und Geheimdienst geben“, so Max Stadler (FDP), Obmann im BND-Untersuchungsausschuss, zur AZ. „Der BND ist nicht für die Verfolgung von Straftaten zuständig. Er hat sich richtig verhalten, indem er die Informationen an die Steuerfahnder weitergegeben hat.“ Und: „Im Normalfall ist es nicht üblich, dass sich Behörden Informationen kaufen. Und es ist ungewöhnlich, dass eine Strafverfolgungsbehörde so eng mit einem Geheimdienst zusammenarbeitet“, so Stadler. Er will am Mittwoch auf jeden Fall Aufklärung im Parlamentarischen Kontrollgremium.

Steinbrück-Sprecher Albig ist jedenfalls hochzufrieden: „Der Preis für die Daten ist doch gut angelegt.“

tan, akk

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