Tarifverhandlungen 2010: Bescheiden durch die Krise

Theoretisch könnte 2010 das Jahr der Lohnsteigerung werden: Die Tarifverträge für rund 9,4 Millionen Beschäftigte laufen nämlich im neuen Jahr aus. In den meisten Branchen gibt's allerdings wenig Hoffnung auf mehr Geld.
MÜNCHEN Wegen der schlechten Wirtschaftslage verzichten die meisten Gewerkschafter nämlich auf lautstarke Forderungen.
Öffentlicher Dienst: Am 13.Januar beginnen in Potsdam die Verhandlungen für die rund zwei Millionen Beschäftigten. Die Gewerkschaft Verdi und der Beamtenbund fordern fünf Prozent mehr Geld. Auszubildende und Praktikanten sollen 100 Euro mehr im Monat bekommen. Die Gesamtkosten des Pakets laut Verdi: 4,57 Milliarden Euro. Außerdem wollen die Gewerkschafter die Altersteilzeitregelungen verlängern und eine Übernahmegarantie für die Auszubildenden herausschlagen. Brisant: Die Tarifkommission will so genannte Differenzierungsklauseln durchsetzen. Das hieße, dass Gewerkschaftsmitglieder im öffentlichen Dienst bei Jahressonderzahlungen oder beim Urlaubsgeld bessergestellt werden.
Metall und Elektro: Am 30. April laufen die bestehenden Lohn- und Gehaltstarifverträge aus. Eine klare Forderung wie im öffentlichen Dienst gibt es aber nicht – zu unterschiedlich ist die Lage in den einzelnen Betrieben, zu sehr hat die Krise manche Firmen gebeutelt. „Von Verzicht kann überhaupt keine Rede sein“, tönt IG-Metall-Chef Berthold Huber zwar. Aber er gibt zu erkennen, dass er mit einem Plus von 0,4 bis 1,2 Prozent zufrieden wäre – dies würde die Preissteigerung ausgleichen, die Experten für 2010 erwarten. Wichtiger als Lohnzuwächse ist den Gewerkschaftern die Beschäftigungssicherung. Unklar ist aber noch, ob und in welcher Form der Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen in Tarifverträge eingebaut werden kann.
Chemische Industrie: Die Tarifverträge für die 550000 Beschäftigten der Branche enden regional unterschiedlich, in Bayern Ende April. Die Gewerkschaft IG BCE hält es wie die IG Metall: Von den Arbeitgebern fordert sie bisher nur eine „angemessene“ Tariferhöhung. Sichere Arbeitsplätze sind den Arbeitnehmervertretern wichtiger.
Bahn: Die Bahn- und Verkehrsgewerkschaften beginnen schon in den nächsten Wochen mit ihren Tarifverhandlungen. Auch hier zeichnet sich ein ähnliches Bild wie in der Metall- und der Chemiebranche ab: Alexander Kirchner, Chef der Eisenbahner-Gewerkschaft Transnet, will vor allem verhindern, dass kleine private Bahnanbieter mit Niedriglöhnen den Beschäftigten bei der einst staatseigenen Bahn Konkurrenz machen. Der Konzern selbst gründet laut Transnet eifrig Tochtergesellschaften und senkt in diesen Subfirmen die Löhne – das will der Gewerkschaftsboss unbedingt verhindern. sun