Talfahrt an der Börse vorerst gebremst

Die deutschen Aktienindizes haben sich erholen können. Mit Spannung warten die Händler jetzt auf Signale von der Wall Street.
von  Abendzeitung
Banger Blick auf die Kurstafeln
Banger Blick auf die Kurstafeln © dpa

Die deutschen Aktienindizes haben sich erholen können. Mit Spannung warten die Händler jetzt auf Signale von der Wall Street.

Panischer Ausverkauf am Morgen, leichte Erholung am Mittag: Am deutschen Aktienmarkt hat nach den dramatischen Kursverlusten vom Vortag eine Berg- und Talfahrt eingesetzt. Der Dax, der nach dem Kurseinbruch von mehr als sieben Prozent am Montag erneut um zeitweise mehr als fünf Prozent einbrach, lag am Mittag bei 6726 Zählern (minus ein Prozent). Dagegen machte der M-Dax Boden gut und stieg um 2,1 Prozent auf 8105 Punkte. Auch der Tec-Dax berappelte sich und legte um 2,5 Prozent auf 744 Zähler zu.

Die Anleger konzentrieren sich laut Händlern auf den Handelsstart in den USA und hoffen darauf, dass die US-Notenbank Fed vorab Aussagen zu Zinssenkungen machen wird. «Die große Unbekannte ist die Reaktion des US-Aktienmarkts auf die Vorgaben aus Asien und Europa», sagte ein Händler. «Die Nervosität ist sehr hoch.» Am Montag waren die Börsen in den USA wegen eines Feiertages geschlossen.
Der Eurostoxx 50 reduzierte am Dienstag seine Eröffnungsverluste von bis zu 4,7 Prozent im frühen Handel schnell und verzeichnete zuletzt ein leichtes Minus von 0,6 Prozent. Der europäische Leitindex markierte am Morgen den tiefsten Stand seit Juli 2006. Der auch Schweizer und britische Werte umfassende Stoxx 50 notierte am Mittag ein Minus von 0,2 Prozent. Der Pariser CAC 40 drehte zwischenzeitlich sogar ins Plus und lag am Mittag bei einem Minus von 0,1 Prozent. Der Londoner FTSE 100 verzeichnete ein Plus von 0,5 Prozent.

Wall Street in Warteposition

An der Wall Street war am Dienstagfrüh die Stimmung zunächst ruhig und abwartend. «Alle rätseln, warum der Dax und der gesamten europäische sowie die asiatischen Märkte so massiv unter Druck gekommen sind«, sagte ein Händler in New York. Am Montag waren die US-Börsen wegen des Feiertags Martin Luther King Day geschlossen geblieben.
»Von Panik ist hier noch nichts zu spüren», sagte ein Börsianer an der Wall Street. In den Medien sei das Thema bisher kaum angekommen. «Auf den Titelseiten prangt das anstehende Superbowl-Finale mit den New York Giants - selbst die 'New York Times' gibt dem Dax-Crash nur wenig Raum». Die knappe Berichterstattung sei aber ein Problem, da so die Dramatik der Lage nur schwer eingeschätzt werden könne.
«Allgemein erwartet der Markt nun, dass Ben Bernanke die Zinsen noch vor Handelsstart senken wird. Die Frage ist nur, um wie viel», sagte der Händler. Ohnehin komme die Senkung nach Einschätzung vieler Marktteilnehmer deutlich zu spät. «50 Basispunkte hätten wir schon längst gebraucht. Fraglich ist aber, ob die Fed um 75 Basispunkte nach unten geht oder eine weitere Kürzung erst Ende Januar in der regulären Sitzung in Betracht zieht.»

Wenig hilfreich für das Vertrauen der Märkte seien unterdessen Aussagen wie von Jean-Claude Juncker, dem Vorsitzender der Euro-Finanzminister, dass die Marktturbulenzen auf Unzulänglichkeiten der US-Politik zurückzuführen seien. «Schuldzuweisungen zwischen den Zentralbanken sind nun das Letzte, was wir brauchen», sagte der Börsianer. Aktuelle Gerüchte, wonach die Citigroup kurz vor der Pleite stehe, helfen seiner Einschätzung nach dem Markt ebenfalls nicht weiter. «Die Mehrheit der Anleger hofft nun auf die Statistik, die zeigt, dass nach einem solch massiven Ausverkauf meist eine Erholung einsetzt».

Schwache Vorgaben aus Asien und Australien

In Asien und Australien stürzten die Kurse aus Angst vor einer von den USA ausgehenden Rezession im Vormittagshandel um bis zu zehn Prozent ab; in Indien wurde der Handel deswegen nur wenige Minuten nach der Eröffnung für eine Stunde ausgesetzt. Neben Bombay war Hongkong mit minus 8,7 Prozent der große Verlierer. Dieser Verlust war der stärkste Rückgang seit den Terroranschlägen in den USA vom 11. September 2001. In Australien ging es 7,1 Prozent in den Keller. In Tokio schloss der Nikkei-Index 5,65 Prozent niedriger.
Am Vortag war das japanische Börsenbarometer um 3,9 Prozent gefallen. Seit Jahresbeginn hat der Nikkei 17 Prozent verloren. Wirtschaftsministerin Hiroko Ota warnte vor einem globalen Domino-Effekt: «Wir müssen in dieser Sache mit anderen zusammenarbeiten», sagte sie. Die Zentralbank ließ unterdessen einen zentralen Tagesgeldsatz unverändert bei 0,5 Prozent. Der Börsenhandel in Indien wurde nach einem Kurssturz von 9,75 Prozent in den ersten Minuten nach Eröffnung gestoppt. Das Kursbarometer Sensex stürzte in Bombay um 1716 Punkte auf 15.888, bei Erreichen der Zehn-Prozent-Marke zog die Börse in Bombay die Notbremse und setzte den Handel für eine Stunde aus. Nach der Pause erholten sich die Kurse zunächst etwas, fielen dann aber wieder um 7,7 Prozent gegenüber dem Vortag zurück. Indiens Finanzminister Chidambaram rief die Investoren auf, Ruhe zu bewahren. «Es gibt keinen Grund, sich von den Sorgen der westlichen Welt überwältigen zu lassen», sagte er. In Australien stürzte das Kursbarometer auf ein 15-Monats-Tief: Erneut 7,1 Prozent Verlust bedeuteten bei einem Stand von 5186,85 Punkten eine Wertminderung des S&P/ASX200 von 23 Prozent gegenüber dem Rekordstand von 6851 Punkten am 1. November vergangenen Jahres. Es war zudem der zwölfte Tag mit Kursverlusten in Folge und der tiefste Kurssturz an einem Tag seit Oktober 1997.

Auch in Hongkong hat der Hang Seng seit Jahresbeginn 22 Prozent verloren. Im Vormittagshandel fiel der Index um acht Prozent, in Schanghai fiel das Kursbarometer in den ersten Minuten um fast sieben Prozent, erholte sich bis zum Mittag aber auf minus 4,1 Prozent. Auch in Südkorea, Singapur, Taiwan, Indonesien, den Philippinen sowie Neuseeland gab es kräftige Abschläge. «Solange wir nicht einige positive Schock-Effekte wie etwa drastische Maßnahmen der US-Regierung bekommen, gibt es keine Hoffnung auf eine Kurserholung», sagte der leitende Analyst des Mizuhu-Forschungsinstituts in Tokio, Koji Takeuchi.
Die Europäische Zentralbank (EZB) bewertet die derzeitigen Kursstürze an den internationalen Aktienmärkten als Kurskorrektur. "Dieser Prozess wird noch eine Weile dauern", sagte EZB-Direktoriumsmitglied Jürgen Stark am Dienstag in einem Gespräch mit dem Deutschlandfunk. «Die Märkte erhalten jeden Tag neue Informationen und darauf wird sehr sensibel, vielleicht auch überaus sensibel reagiert.» Die derzeit hohe Volatilität sei «sicherlich nicht hilfreich». Auf der anderen Seite sollte man aber die Tagesereignisse nicht überbewerten. «Wir sind jetzt in einer Phase, in der mehr Licht gebracht wird in die Verluste, die die Banken wegen ihres Engagements in sehr riskante Investitionen in den amerikanischen Hypothekenmarkt getätigt haben», sagte Stark. Es wäre laut Stark hilfreich gewesen, wenn manche der Informationen, die heute erkennbar oder bekannt werden, früher bekannt geworden wären. (nz)

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