„Sträflich hohe Risiken“

Bundesfinanzminister Peer Steinbrück übt im Exklusiv-Interview harte Kritik an den Landesbanken: "Wir haben zu viele und zu kleine Landesbanken, deren Geschäftsmodelle alles andere als überzeugend sind."
AZ: Herr Minister Steinbrück, die Inflation zeigt derzeit zwei Gesichter: Auf der einen Seite bringt sie dem Staat mehr Einnahmen, andererseits bremst das den Aufschwung. Ab welcher Preissteigerungsrate erwarten Sie negative Auswirkungen für das Wirtschaftswachstum?
PEER STEINBRÜCK: Das Bild ist falsch. Die Inflation kostet den Staat genauso viel wie die Bürger – da auch er Leistungen bezahlen muss. Aber wir sollten uns nicht von Momentaufnahmen täuschen lassen. Im Mittelwert erwarten die Fachleute für 2008 eine Inflation von etwa zwei Prozent. Im ersten Quartal liegen wir drüber– aber das wird sich wieder einpendeln.
Der Dollar wird immer schwächer, die USA kaufen mit immer wertloserem Geld immer mehr Sachwerte. Müssen wir bald um die Stabilität des Euro fürchten, könnte die Inflation nicht bald noch schneller voranschreiten?
Wir erleben doch gerade das Gegenteil. Der Euro wird immer stärker und weltweit zur Reservewährung neben dem Dollar. Er ist stark – manchen schon zu stark. Glücklicherweise für die deutsche Wirtschaft sind unsere Exportbeziehungen viel stärker in den Euro-Raum konzentriert als über den Atlantik. Das macht uns von dem Dollar-Euro Kurs stärker unabhängig.
Die Finanzkrise zieht sich immer länger hin. Müssen sich die Arbeitnehmer allmählich Sorgen machen?
Bisher gibt es kein massives Übergreifen der Finanzkrise auf die Realwirtschaft. Das Vertrauen der deutschen Wirtschaft wächst. Die Kreditversorgung der Wirtschaft, insbesondere des Mittelstandes, ist nicht gestört. Die Arbeitslosigkeit nimmt ab. Wir sind – auch durch die Politik der Großen Koalition in den letzten Jahren – besser vorbereitet auf die jüngsten Entwicklungen als die Amerikaner. Also: Bei allem Risikobewusstsein bitte keine Horrorzeichnungen.
Hätte der Staat früher in den Konsolidierungsprozess der öffentlich-rechtlichen Banken eingreifen müssen?
Wir hätten die Konsolidierung in der Tat schon früher energischer anpacken können und sollen. „Wir“ meint hier aber die Landesregierungen, denn die sind zuständig. Die Frage müssen Sie also Richtung der Landeshauptstädte stellen. Aus meiner Sicht ist klar: wir haben zu viele und zu kleine Landesbanken, deren Geschäftsmodelle alles andere als überzeugend sind.
Wie legen Sie selber Ihr privates Vermögen an? Trauen Sie den Banken noch?
Wir sollten nicht das Kind mit dem Bade ausschütten. In einem Teilbereich haben sich einige Banken sträflich hohe Risiken an den Hals gezogen. Aber das hat keine Auswirkungen auf die Einlagen der Bürger bei den Kreditinstituten.
Sind Wirtschaftsprüfer sowie Aufsichts- und Verwaltungsräte mit den komplizierten Finanzmarktinstrumenten inzwischen überfordert?
Das sind sie dann, wenn sie von ihren Vorständen nicht ordentlich informiert werden und ein hohes Geschäftsvolumen außerhalb der Bilanzen einer Einsicht und Prüfung entzogen wird. Wir müssen gemeinsam dafür sorgen – national wie international, – dass wir mehr Transparenz über die vorhandenen Risiken in den Bilanzen herstellen. Da sind wir auf einem guten Weg.
Wird die Bedeutung des Finanzdienstleistungssektors für den Wirtschaftsstandort Deutschland in Ihrer Partei unterschätzt?
Nein, den Eindruck habe ich nicht. Diese Branche ist mittlerweile wichtiger als die Automobilbranche in Deutschland. Und die SPD weiß das – wir tragen immerhin seit 1998 die Verantwortung für das Bundesfinanzministerium.
Der Mittelstand läuft Sturm gegen die Erbschaftssteuerreform. Zu welchen Zugeständnissen sind Sie im äußersten Fall bereit?
Ich kann nicht erkennen, dass der Mittelstand Sturm läuft. Warum auch? Die von uns vorgelegte Reform bringt für die allermeisten Betriebe eine deutliche Entlastung mit sich. Wir erleichtern das Erben von Betriebsvermögen. 75 Prozent der Betriebe werden künftig mit der Erbschaftsteuer nichts mehr zu tun haben. Heute wird auf Betriebsvermögen Erbschaftssteuer gezahlt. Die Beschwerden mancher Interessenten, die spezifische Fälle zum Generalproblem stilisieren, werden langsam ärgerlich.
Haben Sie inzwischen das endgültige Modell für die Bahn-Privatisierung innerhalb der SPD festgezurrt?
Die Diskussionen laufen. Wir prüfen, welche Kompromisslinien möglich sind. Nur wenn die Deutsche Bahn AG Zugang zu neuen Kapitalgebern erhält, wird sie ihren Leistungsstand für die Kunden erhalten und ausbauen können.
Interview: sie