Stimmungseinbruch in der deutschen Wirtschaft

In deutschen Unternehmen herrscht extrem düstere Stimmung: Der Ifo-Index, der allmonatlich das Geschäftsklima misst, fiel im Juli so stark wie zuletzt nach dem 11. September 2001. Das bringt die EZB in ein Dilemma.
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In deutschen Unternehmen herrscht extrem düstere Stimmung: Der Ifo-Index, der allmonatlich das Geschäftsklima misst, fiel im Juli so stark wie zuletzt nach dem 11. September 2001. Das bringt die EZB in ein Dilemma.

Der Stimmungseinbruch ist gewaltig: Der Ifo-Geschäftsklimaindex hat im Juli den größten Rückgang seit dem 11. September 2001 verzeichnet. Der wichtigste Frühindikator für die deutsche Wirtschaft sank von 101,2 auf 97,5 Punkte, wie das Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung am Donnerstag in München mitteilte. Dies ist der niedrigste Wert seit fast drei Jahren. Volkswirte hatten mit einem moderaten Rückgang auf 100,1 Punkte gerechnet.

Der Teilindex für die Bewertung der momentanen Lage sank von 108,3 auf 105,7 Zähler, der Teilindex, der die Erwartung für die kommenden sechs Monate misst, fiel von 94,6 auf 90,0 Punkte und damit auf den tiefsten Stand seit Dezember 2001. «Diese Ergebnisse legen nahe, dass der konjunkturelle Aufschwung zu Ende geht», sagte der Präsident des Ifo-Instituts, Hans-Werner Sinn.

«Die Unternehmen sind mit ihrer gegenwärtigen Geschäftslage spürbar weniger zufrieden», sagte Sinn. Der Trend ging sowohl in der Industrie als auch in Einzel- und Großhandel und auf dem Bau nach unten, wie der Ifo-Chef erklärte. Das Exportgeschäft wird nach Ansicht der Industrieunternehmen nicht mehr ganz so stark expandieren. Das wirkt sich auch auf den Arbeitsmarkt aus: «Ihre Einstellungsbereitschaft lässt etwas nach», sagte Sinn.

Angst vor Rezession

An den Börsen sorgte der Geschäftsklimaindex für Abschläge. Der Dax baute seine Verluste am Mittag aus. Der Eurokurs sank nach den Zahlen auf sein Tagestief von 1,5636 Dollar, nachdem er zuvor noch bei 1,57 Dollar gehandelt wurde. «Der Ifo-Index fällt jetzt wie ein Stein, das Schlimmste könnte erst noch kommen», kommentierte der Volkswirt Andreas Rees von Unicredit die Zahlen. Er sieht als Hauptauslöser für die trübe Stimmung den hohen Ölpreis und die deutlich nachlassende Dynamik in wichtigen deutschen Exportmärkten. Der steigende Spritpreis sorge dafür, dass die privaten Verbraucher weniger für andere Dinge ausgeben könnten, so Rees. Er verwies zudem auf den ebenfalls am Donnerstag veröffentlichten Einkaufsmanager-Index für die Eurozone, der im Juli auf ein Fünfjahrestief gefallen war und damit stärker als erwartet. Dazu werden monatlich rund 5000 Unternehmen im Euroraum nach ihrer Einschätzung befragt. Auch Konjunkturbarometer aus Italien und Frankreich zeigten deutliche Rückgänge. Mehr als 40 Prozent der deutschen Exporte gehen in Länder der Eurozone. «Bei einem weiteren deutlichen Anstieg der Energiepreise kann sogar eine Rezession nicht mehr ausgeschlossen werden», kommentierte der Chefvolkswirt der Postbank, Marco Bargel, die deutliche Stimmungseintrübung. Etwas vorsichtiger gaben sich andere Bankvolkswirte. So sieht die Commerzbank zumindest ein Ende des Aufschwungs in Deutschland. Auch die Landesbank Hessen-Thürigen geht von einer sehr deutlichen Abschwächung der wirtschaftlichen Dynamik in Deutschland wie im gesamten Euroraum aus.

EZB unter Druck

Die neuesten Daten bringen die Europäische Zentralbank (EZB) in ein Dilemma. Sie sieht sich in erster Linie der Preisstabilität verpflichtet - und die Inflation im Euroraum lag zuletzt bei vier Prozent, die EZB strebt dagegen einen Wert von knapp unter zwei Prozent an. Um dem Preisauftrieb Einhalt zu gebieten, hatte die Notenbank erst Anfang des Monats den Leitzins von 4,0 auf 4,25 Prozent angehoben und dafür massive Kritik geerntet. Ihr US-Pendant, die Federal Reserve (Fed), hatte wegen der Abkühlung der Konjunktur die Zinsen in mehreren Schritten gesenkt. Zumindest gelten den Experten zufolge jetzt weitere Zinserhöhungen seitens der EZB als kaum noch wahrscheinlich. Laut der Commerzbank hat die EZB die Konjunkturlage zuletzt wohl zu optimistisch eingeschätzt. Auch die Landesbank Hessen-Thüringen rechnet nicht mehr mit einem weiteren Zinsschritt der EZB nach oben in diesem Jahr.

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