Stiftung Warentest unterliegt Ritter Sport

 Die Tester dürfen nicht behaupten, dass die Sorte „Voll-Nuss“ einen künstlichen Aromastoff enthält. Das Urteil ist aber nur eine Zwischenetappe
von  Vanessa Assmann

 

Die Tester dürfen nicht behaupten, dass die Sorte „Voll-Nuss“ einen künstlichen Aromastoff enthält. Das Urteil ist aber nur eine Zwischenetappe

MÜNCHEN Im Streit mit dem Schokoladenhersteller Ritter Sport haben die Prüfer von Stiftung Warentest gestern eine herbe Niederlage erlitten. Sie dürfen nicht mehr behaupten, dass die Schokolade Ritter Sport „Voll-Nuss“ ein künstlich hergestelltes Vanillearoma enthält, entschied das Landgericht München. Doch der Fall wird weiter die Gerichte beschäftigen, Stiftung Warentest kündigte Berufung an.

Es geht um einen Test von 26 Vollmilch-Nuss-Schokoladen, der im November 2013 veröffentlicht wurde. Die Tester straften darin das Ritter-Sport-Produkt mit „mangelhaft“ ab. Die Begründung: Die Verbraucher würden getäuscht, denn statt des beworbenen „natürlichen Aromas“ enthalte die Schokolade den das Vanillearoma Piperonal. Dieser Aromastoff werde chemisch hergestellt. Ritter Sport nahm das als Kampfansage. Denn das Unternehmen wirbt seit Jahren damit, ausschließlich natürliche Aromen zu verarbeiten. 

Um diese These zu stützen, präsentierte das Unternehmen eine eidesstattliche Versicherung des Lieferanten Symrise. Der Aromahersteller versicherte, Piperonal auf natürlichem Weg herzustellen, lehnte aber genauere Informationen aus Wettbewerbsgründen ab. Es folgte eine einstweilige Verfügung gegen Stiftung Warentest. Diese entfernte daraufhin zwar die strittigen Passagen, legte aber vor dem Landgericht München Einspruch ein.

Damit scheiterte sie nun: Das Gericht urteilte, dass in diesem Fall nicht von einem fairen Warentest gesprochen werden könne. Die Prüfer hätten ihre Behauptungen über die künstlichen Aromen nicht nachgewiesen. Dennoch sei von einer Irreführung der Verbraucher und „mangelnder Verkehrsfähigkeit“ gesprochen worden. Sollten die Prüfer ihre Behauptungen in Zukunft wiederholen, droht ein Ordnungsgeld von 250.000 Euro.

Über den Streitgegenstand, die genaue Herstellung von Piperonal, erlaubte sich das Gericht kein Urteil. Ritter Sport und Symrise beharren darauf, dass das verwendete Vanillearoma natürlichen Ursprungs ist und ausschließlich natürlich gewonnen wird. Es komme unter anderem in Blütenölen und Pflanzen wie Pfeffer oder Dill vor. Es sei mit Verfahren hergestellt worden, die der europäischen Aromenverordnung für die Herstellung von natürlichen Aromastoffen entsprächen. Der Stoff sei für den runden Geschmack nötig: „Der Geschmack des Kakaos wird durch Vanillearoma runder und typischer wahrgenommen, die Schokolade schmeckt dadurch harmonischer“, sagt Ritter Sport.

Stiftung Warentest wiederum will sich mit dem Urteil nicht zufrieden geben und Ritter Sport und Symrise in einem weiteren Gerichtsverfahren dazu bringen, den Herstellungsprozess offen zu legen. Nach ihrer Einschätzung sei eine natürliche Herstellung von Piperonal im industriellen Umfang quasi nicht zu bezahlen. „Klar ist bisher lediglich, dass die Symrise AG den Aromastoff Piperonal nicht selbst herstellt, sondern über Dritte bezieht“, heißt es.

Als überraschend gilt, dass sich Ritter Sport überhaupt auf einen Streit mit der Stiftung Warentest einlässt – und einen Imageschaden riskiert. Schließlich kommt es extrem selten vor, dass die Verbraucherschützer Verfahren gegen Hersteller von Testprodukten verlieren. „Wir haben noch nie Schadenersatz zahlen müssen“, betonte eine Sprecherin. Durchschnittlich ziehen nach Angaben von Stiftung Warentest nur vier bis fünf Firmen pro Jahr vor Gericht – eine geringe Anzahl bei 2000 getesteten Produkten.

 

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.