Steve Jobs: Der Zauberer ist weg

Er hat sie riesengroß gemacht. Ist seine Firma jetzt von ihm abhängig? Steve Jobs’ Krankheit erschüttert einen Kult-Konzern.
Eingefallene Wangen und schütterer Bart, schlotternde Jeans und pechschwarzer Rolli: Gut sah Steve Jobs noch nie aus – gut nicht, aber cool. Denn irgendwas ist ja wohl dran an dem Mann, der in nicht mal anderthalb Jahrzehnten die Technologiebranche und die Computerwelt durchgewirbelt hat – der sich seit 14 Tagen rühmen darf, Chef des zweitwertvollsten Konzerns der Welt zu sein. Und jetzt das. Der Apple-Chef meldet sich krank – und sein Unternehmen verliert 15 Milliarden Dollar an Wert in wenigen Stunden. Der König ist krank, das Weltreich wankt, wann gab’s das zuletzt?
„Kein Unternehmen auf der Welt ist so auf seinen Chef fixiert wie Apple“, schreibt das Handelsblatt. Euphorische Heldenverehrung findet dort selten statt. Doch bei Steve Jobs (55), der seinen Erfolg in der Welt der Bits und Bytes hat, verlieren Analysten und Fans, Fachleute und Käufer alle Zurückhaltung.
„Steve konnte schon vor 25 Jahren in die Zukunft blicken“, sagt Roger Kay, Analyst bei Endpoint Technologies: „Er inspiriert seine Leute, hält sie zusammen und gibt die Marschrichtung vor.“ Und weiter: „Weder intern noch extern gibt es einen Zauberer wie Steve Jobs.“ Der Zauberer. Was hat er getan?
1976 gründete Jobs, ein pummeliger Nerd mit Seitenscheitel, im kalifornischen Palo Alto die kleine Klitsche mit dem angebissenen Apfel als Signet. 1985 drängte ihn der Verwaltungsrat aus dem Unternehmen, 1997 holten sie ihn reumütig zurück, da war die Firma fast pleite.
Vor sechs Jahren erkrankte er an Bauchspeicheldrüsenkrebs
Jobs baute danach gute, teure Computer, die nach was aussahen. Der Look war ihm wichtig, und über die Konkurrenz lästerte er: „Das Problem bei Microsoft ist, sie haben absolut keinen Geschmack.“ Der Erfolg adelte seine Arroganz, und der Erfolg wurde immer größer. Mit iPod, iPhone und iPad revolutionierte Apple den Musikkonsum, das Handy und den PC.
Die i-Dinger verkaufen sich millionenfach, Apples Börsenwert vervielfachte sich auf zuletzt auf 321 Milliarden Dollar. Im Quartal mit dem Weihnachtsgeschäft 2010 dürfte der Umsatz bei 24 Milliarden gelegen haben, der Gewinn bei fünf Milliarden Dollar.
Steve Jobs hat das nicht allein fertig gebracht. „Apple hat eine der stärksten Vorstandsriegen der Industrie“, sagt Charles Wolf, Analyst bei Needham. Aber „His Steveness“ ist mehr als ein Manager: „Er ist vor allem da, um das nächste große Ding zu entdecken.“
Und dafür fällt der bekennende Buddhist und erklärte Veganer erstmal aus. „Ich bleibe Vorstandschef“, hieß es in seiner dürren Mail an sein „Team“: „Ich liebe Apple“ heißt es da, „und ich hoffe, so bald wie ich kann zurück zu sein.“ Einen Zeitpunkt nennt Jobs nicht, das weckt schlimme Ahnungen.
Vor sechs Jahren erkrankte der Vater von vier Kindern an Bauchspeicheldrüsenkrebs, einer aggressiven Krebsvariante. Und 2009 fiel für ein halbes Jahr aus. Jobs bekam eine neue Leber. Probleme mit dem Spenderorgan ist das konkreteste, was über die Erkrankung jetzt bekannt wurde. Patienten wie Jobs haben lebenslang Probleme mit dem Immunsystem.
Ersetzen soll Jobs, wie schon nach der Transplantation 2009, Tim Cook. Der 50-jährige ist der kongeniale Partner seit 1997, der Rationalisierer an der Seite des Visionärs sorgte zum Beispiel für eine radikale Reduzierung der Lagerbestände – ein Wettbewerbsvorteil vor der Konkurrenz. Auch Cook ist ein Workaholic, auch er muss bei Präsentationen die Jobs-Jeans tragen. Doch im Freizeitlook wirkt er nicht annähernd so charismatisch wie sein Boss.
Cook lieferte als Aushilfschef 2009 gute Zahlen, das wird ihm auch jetzt zugetraut. „Jobs und seine Leute haben in den nächsten beiden Jahren genügend Produkte in der Pipeline“, sagt Analyst Kay. Problematisch wird es auf längere Sicht: Die Konkurrenz wie Samsung oder Google bei Smartphones oder Motorola und Samsung bei Tablet-PC holt schnell auf. Um dagegenzuhalten, braucht es nicht irgendwen. „Kann Apple ohne Jobs eine Vision der Technologiebranche für Jahrzehnte formulieren und Branchen umkrempeln? – wohl kaum“, sagt IT-Fachmann Kay. Dazu braucht es einen Zauberer wie Steve Jobs.
Matthias Maus