Starre Bürozeiten? Es zählt doch nur das Ergebnis!

München – Christine Walker ist 45-jährige Unternehmerin und zweifache Mutter aus München. Sie coacht Firmen zum Thema effizienteres und modernes Arbeiten. In ihrem weiblichen Führungsteam hat sie die 30-Stunden-Woche etabliert und gewann den Wirtschaftspreis "Innovator 2018".
AZ: Frau Walker, Sie wollen mehr Frauen in Führungspositionen bringen. In den Vorständen der Dax-Unternehmen liegt der Frauen-Anteil aber nur bei 8,6 Prozent. Wie kann frau das ändern?
CHRISTINE WALKER: In Vorträgen spreche ich darüber, wie es funktioniert. Von negativen Menschen, die sagten: "Nein, du kannst das nicht!", habe ich mich ferngehalten. Deshalb ist es immer wichtig, sich mit positiven und fröhlichen Menschen zu umgeben, denn die ziehen einen automatisch hoch und stärken das Selbstbewusstsein.
Und wenn der Vorgesetzte eher ein negativer Mensch ist?
Man kann natürlich versuchen, die Zusammenarbeit mit dem Chef durch ein Gespräch zu optimieren.
Also auf direkten Kontakt setzen?
Auf jeden Fall direkt kommunizieren! Herausfinden, woran es liegt, dass er oder sie mich nicht fördert oder nicht an mich glaubt. Vielleicht sieht er oder sie auch gar nicht, was ich jeden Tag leiste. Ich war früher Sekretärin, und da ist man in der zweiten Reihe. Trotzdem hatte ich immer sehr viel Sichtbarkeit und auch Wirksamkeit.
Und wie?
Ich bin auf die Kollegen und den Chef zugegangen und habe die Themen angesprochen. Und ich habe natürlich auch Selbstmarketing betrieben und dafür gesorgt, dass gesehen wird, was ich jeden Tag leiste.
Also die eigenen Leistungen aktiv sichtbar gemacht.
Genau. Und letztendlich ist die Sichtbarkeit auch immer anhand von Zahlen belegbar. Auch über das eigene Auftreten erreicht man Sichtbarkeit. Deswegen ist meine Empfehlung an alle Frauen, die durchstarten wollen: Geht aufrecht und stolz durchs Leben! Coco Chanel hat gesagt "Keep your heels, your head, your standards high!" (sinngemäß: Absätze, Kopf und Standards sollten hoch sein, d. Red.).
Gibt es auch Fehler, die dazu führen können, dass Frauen nicht vorankommen?
Fehler sind häufig negativ gesehen. Aber sie haben auch eine positive Seite. In den USA zum Beispiel gibt es eine positive Fehlerkultur. Da sollte man umdenken und sich sogar sagen: "Hey, das habe ich jetzt richtig vermasselt – jetzt weiß ich, wie ich’s nächstes Mal nicht mehr mache."
Man soll sich für Fehler loben?
Ja. Weil Fehler, wenn ich sie reflektiere, gut sind. Dass man dafür bestraft wird, das kommt von außen von ganz alleine.
Manche Fehler bremsen Frauen trotzdem aus.
Ja, wenn sie sich selbst kleinmachen, dem Perfektionismus oder Helfer-Syndrom verfallen. Ich glaube aber, dass das nicht nur ein spezifisches Frauen-Thema ist, das haben auch Männer häufig.
Frauen werden aber oft auch durch die Mehrbelastung in der Familie ausgebremst.
Sowohl Männer und Frauen sollten fokussiert sein und Prioritäten setzen. Natürlich hängen Kinder und Erziehung einfach noch sehr stark an uns Frauen. Ich bin aber der Meinung, dass es sich langsam auflöst. Wenn ich die jungen Männer sehe und die Nachwuchsgeneration, merke ich, wie sie immer offener werden und wie sie inzwischen auch Elternzeit wahrnehmen und Wert auf eine Work-Life-Balance legen.
Sie sind selbst Mutter von zwei Kindern. Hat das bei Ihnen alles sofort geklappt?
Heute habe ich es im Griff, aber natürlich war es erst einmal eine riesige Herausforderung. Mein Sohn kam auf die Welt und ich war auf mich alleine gestellt. Ich musste es hinkriegen, selbstständig zu sein, weil ich ja auch Geld verdienen musste, und das geht nicht mit einem Minijob. Am Anfang hat mir meine Mutter sehr viel geholfen, dann habe ich es über Kitas und Krippen versucht, ein ziemliches Chaos.
Inwiefern?
Ich habe kaum noch geschlafen. Nachts habe ich den Haushalt und die Wäsche gemacht, und tagsüber versucht, Geld zu verdienen mit Projekten. Dann habe ich eine Nanny gefunden, die zehn Jahre bei mir war. Ohne sie hätte ich das nicht geschafft. Dafür bin ich ihr bis heute dankbar.
"Es gibt noch viele, die am Alten festhalten – weil sie Angst haben"
In ihrem Beratungs-Unternehmen leben sie sogenanntes New Work, also neues, modernes Arbeiten. Was ist das?
New Work ist leistungs- und ergebnisorientiertes Arbeiten, unabhängig von Ort und Zeit. So wie in meinem Team: Wir sind Mamis, selbstständig und versuchen jeden Tag, unser Ergebnis zu bringen. Wir sind flexibel und gucken, dass uns unsere Freunde und Geschäftspartner unterstützen. Und wir holen aus der uns zur Verfügung stehenden Technologie alles raus. In manchen Unternehmen ist es allerdings teilweise noch nicht vorstellbar.
Was meinen Sie?
Dort denkt man, die Arbeit findet statt, indem du dich morgens in dein Business-Outfit wirfst, ins Büro marschierst und dort vor deinem Desktop und zwischendurch in Meetings sitzt.
Und das ist es nicht mehr?
Nein. Es zählt doch das Ergebnis. Wenn ich ein Telefonat mit einem Kunden im Auto führe, dann kann ich in fünf Minuten ein Projekt eintüten und Umsatz generieren. Und dann denke ich mir: Bingo, ich habe mein Ergebnis für diesen Tag erreicht in einem fünfminütigen Telefonat unterwegs.
Muss ich also jede freie Minute ausnutzen, wenn ich Auto oder Bahn fahre?
Nein. Auch Pausen sind wichtig zur Regeneration, damit das Gehirn unterschiedliche Impulse bekommt. Wie die aussehen, muss jeder selbst wissen. Ich persönlich mache Yoga.
Glauben Sie, dass in Zukunft mehr Menschen so arbeiten?
Die Veränderung findet jetzt gerade statt. Aber es gibt auch noch viele, die am Bestehenden festhalten, weil sie Angst haben vor dieser neuen, digitalen Welt, Angst vor Veränderungen. Deshalb bleibt man lieber beim Alten, nach dem Motto: Wenn ich im Büro sitze und meinen Anzug anhabe, kann mir nichts passieren. Im Homeoffice sieht ja keiner, ob ich arbeite oder wenn ich mit Yoga-Klamotten rumlaufe, dann werde ich vielleicht nicht ernst genommen, zum Beispiel. Die Entwicklung ist aber nicht aufzuhalten. In meinem Umfeld arbeiten alle anders.
Wie denn?
Die brauchen keine große Infrastruktur, sondern sind relativ autark. Ich bin keine Hellseherin, aber alleine durch die momentane Entwicklung gehe ich davon aus, dass in 10 bis 20 Jahren die "alte Welt" nur noch in kleinen Bereichen existiert.
Kann jeder "New Worker" werden?
In vielen Bereichen ist es auf jeden Fall möglich. Bei uns im Backoffice hieß es früher: "Bei uns geht das nicht!" Und dann sagte ich: "Jetzt fangt mal an, darüber nachzudenken, wie es auch bei euch ginge". Und siehe da, so langsam machen viele Home Office und teilen sich ihre Arbeit prima auf. Eine Kollegin sagte neulich, sie wäre ihre Eltern besuchen gewesen und habe von dort gearbeitet. So zu arbeiten sei wie Urlaub, weil es selbstbestimmt ist. Das zeigt: Es ist möglich, aber es erfordert ein neues Mindset. Und das beginnt bei uns selbst.