Spiel auf Zeit
Vor kurzem sprachen die Chinesen noch vom Tod-Feind. Das trügerische Zugeständnis im Konflikt mit dem Dalai Lama kommentiert Volker ter Haseborg.
Dass sich der olympische Gedanke in diesem Jahr verselbständigt, damit hatten weder die chinesische Regierung noch Politiker in aller Welt gerechnet. Wohin sie auch kam: Die olympische Fackel, bewacht von chinesischen Elite-Soldaten, brachte den Protest gegen Chinas Menschenrechts-Politik von Kontinent zu Kontinent. Die olympischen Ringe symbolisieren das Miteinander der Völker bei Olympia – und heuer die Bewegung des Protests.
Insofern ist es schön zu sehen, dass der Fackellauf, der in diesem Jahr eine Farce war, doch etwas bewirkt hat: Der Druck ist so groß geworden, dass die Chinesen jetzt mit ihrem Gesprächsangebot in Richtung des Dalai Lama Zugeständnisse machen müssen; zumindest auf den ersten Blick scheint das so. Auch internationale Politiker wurden gezwungen, statt Tibet-Floskeln endlich konkrete Forderungen folgen zu lassen.
Doch Vorsicht: Die Fackel kommt bald in China an – dann wird das Regime dafür sorgen, dass keine Demonstranten in Fernsehbildern auftauchen. Mit dem Gesprächsangebot spielt China klar auf Zeit. Vor kurzem hieß es noch: „Wir befinden uns jetzt in einer heftigen Blut-und-Feuer-Schlacht mit der Clique des Dalai Lama, einem Kampf auf Leben und Tod zwischen uns und dem Feind.“
Kann man Chinas Dialog-Zusage vom Freitag trauen? Sicher nicht. Damit wirklich eine Lösung für den Tibet-Konflikt möglich wird – dafür muss die neue olympische Bewegung des Protests weitergehen. Auch ohne Fackel.
Volker ter Haseborg
Der Autor ist AZ-Redakteur
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- Dalai Lama