Sollten Lehrer im Netz benotet werden?
Die AZ-Redakteure Tina Angerer und Timo Lo koschat über das Urteil des Bundesgerichtshofs zu den Lehrer-Bewertungen bei Spickmich.de.
PRO
Sie hatte ein „Ausreichend“ bekommen, die Lehrerin, die bis vor den Bundesgerichtshof zog, um dem Internetportal „Spickmich.de“ den Garaus zu machen. Sie hat nicht Recht bekommen, und das ist richtig.
Spickmich. de ist keine Plattform, auf der Schüler Beleidigungen loswerden können oder ausplaudern, wo die Lehrerin wohnt und mit wem. Schüler benoten dort Lehrer in Kategorien wie „fachlich kompetent“, „faire Noten“ oder „cool“.
Ja mei, objektiv ist das nicht. Aber da hat uns die Meinungsfreiheit seinerzeit in Schülerzeitungen wesentlich Unflätigeres durchgehen lassen.
Ärzte müssen sich längst gefallen lassen, dass Patienten im Netz ihre Erfahrungen schildern. Menschen tauschen sich dort aus. Nicht immer korrekt, auch Rufmord geschieht im Internet.
Auf Youtube gibt es Hass-Filme über Lehrer. Spickmich.de ist der falsche Sündenbock und der Ruf nach einem Verbot der falsche Weg. Besagte Lehrerin hat nur einen Vierer gekriegt. Ihrer Menschenwürde geht’s prima.
CONTRA
Supi. Endlich mal den blöden Paukern eins reinwürgen, den Spieß umdrehen, ihnen einen saftigen Sechser verpassen. Ein alter Schülertraum wird wahr – dem Internet sei Dank. Dort kann man ja inzwischen fast alles und jeden bewerten.
In den meisten Fällen ist das auch gut so, nach jedem Urlaub schreibe ich zum Beispiel eine Hotelkritik im WWW, beurteile Sauberkeit und Service.
Bei Spickmich.de sehen die Kriterien etwas anders aus: Der Lehrer muss „cool“ und „sexy“ sein, sich wohl am besten mit der Stuhllehne nach vorne zwischen die Schüler hocken und von seinen Kiff-Erfahrungen erzählen, um die Note „sehr gut“ zu bekommen. Für Pädagogen, die nicht freiwillig die Öffentlichkeit suchen, sollten jedoch andere Maßstäbe gelten als für Prominente wie Paris Hilton.
Zudem sind Mobbing, Manipulationen und Rachebewertungen von enttäuschten 14-Jährigen wahrscheinlich. Ein BGH-Urteil pro Persönlichkeitsrecht hätte ich daher für vertretbar gehalten.
Sinnvoller wäre es, in den Klassen eine „Dialogkultur“ zu schaffen, die man meinetwegen auch „Feedbackculture“ nennen könnte, damit’s „cooler“ oder „sexier“ klingt – denn darauf kommt’s in der Schule ja angeblich an.