Soll ich meinen Vertrag jetzt kündigen?

Der Vermittlungsausschuss, das gemeinsame Organ von Bundestag und Bundesrat, berät darüber, ob Lebensversicherungs-Kunden weniger Geld erhalten dürfen.
Georg Thanscheidt |
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BERLIN Der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat verhandelt heute ein heißes Eisen: den Kampf um die stillen Reserven bei Lebensversicherungen. Finanzminister Schäuble wollte es den Versicherungsgesellschaften ermöglichen, wegen der derzeit niedrigen Zinsen ihren Kunden künftig weniger von ihren Überschüssen abzugeben.

Die ersten spontanen Kündigungen waren allerdings übereilt – denn noch ist nichts beschlossen. Kritik von vielen Seiten, unter anderem aus der Union selbst, macht eine verbraucherfreundlichere Lösung wahrscheinlich. Die AZ beantwortet mit Experten die drängenden Fragen:

Gibt es Lebensversicherungsverträge, die man kündigen sollte, um mehr Geld als nach Ablauf zu erhalten? Nach geltender Rechtslage nicht. Deshalb warnen Experten wie Nils Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg oder Theo Pischke von „Finanztest“ auch dringend davor, ohne Not den Vertrag zu kündigen.

In welchem Fall müsste man doch zum Rechenstift greifen? Bliebe es beim zunächst vom Bundesrat gekippten Gesetzentwurf, bekäme man für einige Verträge bei einer Kündigung vor Stichtag tatsächlich mehr Geld ausgezahlt. Das gälte aber längst nicht für alle Verträge – jeder Vertrag ist anders.

Wo liegen die Unterschiede zwischen den Verträgen? Vor 2004 abgeschlossene Lebensversicherungspolicen sind steuerfrei. Auch die Höhe des Garantiezinses variiert je nach Abschlussjahr und Versicherungsgesellschaft.

Wie lässt sich herausfinden, ob man von einer Kündigung vor dem Stichtag profitieren würde? Erst einmal abwarten, was im Vermittlungsausschuss beschlossen wird – dann rechnen: Am besten lässt man sich von seiner Versicherung den Rückkaufswert nennen und die Ablaufleistung nach künftiger Rechtslage: die garantierte und die prognostizierte. Man kann auch selbst hochrechnen, zum Beispiel mit dem Renditerechner der Stiftung Warentest im Internet.

Und falls man mit „Dabeibleiben“ schlechter abschneidet? Selbst dann sollte man sich eine Kündigung gut überlegen, da nicht sicher ist, ob eine Schlechterstellung der Versicherungskunden vor dem Verfassungsgericht Bestand haben wird: Es hatte gefordert, die Kunden angemessen an den Überschüssen zu beteiligen, die mit ihrem Geld erwirtschaftet werden.Verbraucherschützer Nauhauser weist darauf hin, dass es dennoch Fälle geben kann, in denen eine Kündigung Sinn ergeben kann: beispielsweise, um einen Immobilienkredit zu tilgen, der den Privatmann mehr Zinsen kostet, als die Lebensversicherung bringt.

Ist es nicht ohnehin lukrativer, seine Lebensversicherung auf dem Zweitmarkt zu verkaufen, als sie zu kündigen? Da mahnt „Finanztest“-Redakteur Theo Pischke zur Vorsicht: Einige Anbieter versprechen ein Riesenplus bei auf Jahre hinaus gestaffelter Auszahlung. Dass es die Firma aber bis zum Ende der Auszahlung noch gibt, ist keineswegs garantiert.

Gibt es Besonderheiten für Riester-Verträge? Wenn sie auf Lebensversicherungsbasis abgeschlossen wurden, wären sie von einer Gesetzesänderung zwar auch betroffen, eine Kündigung brächte aber keine Vorteile, da sie nicht vorzeitig ausgezahlt werden können. Und die gesetzliche Förderung ginge verloren.

Was sollten die tun, die voreilig gekündigt haben? Mit ihrer Versicherung Kontakt aufnehmen, ob die Kündigung noch rückgängig gemacht werden kann. Nauhauser weist darauf hin, dass für eine Schadenersatzklage erst einmal ein Schaden nachgewiesen werden müsste.

Was könnten Versicherungskunden noch tun? Protestieren, zum Beispiel bei ihrem Bundestagsabgeordneten. Ob eine Neuregelung zugunsten der Aktionäre und zu Lasten der Versicherungsnehmer überhaupt nötig ist, ist nämlich höchst zweifelhaft.

Jörg Riehl

 

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