So viele Arme wie nie

Das Statistische Bundesamt stellt neue Zahlen vor. Die geringste Quote aller Altersklassen haben die Rentner.
Berlin - In Deutschland sind so viele Menschen armutsgefährdet wie noch nie: 15,8 Prozent der Bevölkerung lebten 2010 unter der Armutsschwelle, teilte das Statistische Bundesamt gestern mit. Das ist zwar nur eine vergleichsweise kleine Zunahme gegenüber dem Vorjahr (da waren es 15,6 Prozent) – aber es ist der höchste Stand seit Beginn der Erhebungen. Gleichzeitig haben die Statistiker auch untersucht, welche Bevölkerungsgruppen besonders betroffen sind – mit einigen Überraschungen.
Für die Erhebung wurden 24220 Personen in 13512 Haushalten befragt. Als arm gilt aktuell, wer als Erwachsener pro Monat – inklusive aller staatlichen Gelder – weniger als 952 Euro hat (das entspricht 60 Prozent des Durchschnitts). 12,8 Millionen Bürger fallen unter diese Grenze.
Aber wen trifft es nun? Immer ausgehend von dem durchschnittlichen Wert von 15,8 Prozent sind Männer mit 14,9 Prozent seltener arm als Frauen mit 16,8 Prozent. Nach Altersgruppen sind Erwachsene zwischen 18 und 65 überdurchschnittlich arm. Kinder unter 18 sind mit 15,6 leicht unter dem generellen Schnitt, ihnen geht es etwas besser. Am wenigsten armutsgefährdet sind Senioren: Nur 14,2 Prozent der über 65-Jährigen liegen unter der 952-Euro-Grenze. Hier gibt es aber einen größeren Unterschied zwischen Männern und Frauen: Während die älteren Damen mit 16,2 Prozent knapp über dem Gesamt-Schnitt von 15,8 Prozent liegen, geht es den Herren mit einer Quote von 12,0 Prozent deutlich besser.
Auch die Form des Zusammenlebens hat großen Einfluss auf die finanzielle Lage: Mit Abstand am besten von allen Kategorien geht es den klassischen Familien (zwei Erwachsene mit Kind/ern). Nur 8,7 Prozent fallen unter die Armutsschwelle. Die Kehrseite: Mit Abstand am schlechtesten geht es Alleinerziehenden – 37,1 Prozent sind arm.
Direkt dahinter folgen dann schon die Singles (alleinstehende Erwachsene unter 65) mit 36,1 Prozent. Deutlich besser dran sind Paare ohne Kinder – bei ihnen liegt die Quote bei unterdurchschnittlichen 11,3 Prozent. Aber auch sie sind entgegen vieler Vorurteile (Double Income, no Kids) gefährdeter als Paare mit Kindern (8,7). Das Muster gilt auch für Ältere: Alleinstehende über 65 sind zu 24,1 Prozent von Armut betroffen. Paare nur zu 10,3 Prozent. Und: Zudem steigt auch das Armutsrisiko von Vollzeit-Erwerbstätigen. Jetzt liegt es bei 7,7 Prozent. 2004 waren es noch 5,0.
1818 Euro im Monat: Der Bericht zur Lage der Rentner
Noch geht es den Senioren „überwiegend gut“. Aber das ändert sich
Berlin - Den Rentnern in Deutschland geht es finanziell „überwiegend gut“: Rentnerhaushalte haben im Schnitt ein Netto-Einkommen von 1818 Euro im Monat. So steht es jedenfalls im Alterssicherungsbericht 2012 der Bundesregierung, der gestern bekannt wurde. Im einzelnen haben alleinstehende Frauen 1292 Euro, alleinstehende Männer 1560 Euro, Ehepaare 2433 Euro. Für die Studie wurden 28000 Rentner befragt. Die Nettoeinkünfte stammen freilich nicht allein aus der gesetzlichen Rente, wo die Auszahlbeträge deutlich niedriger sind.
Nur noch die Hälfte der Senioren bezieht ihr Einkommen allein aus der gesetzlichen Rente. Die anderen haben Zusatzeinkünfte wie private und Betriebsrenten (557 Euro pro Monat Paare/371 Alleinstehende), Zinseinkünfte (338/175 Euro) und Mieteinkünfte (1043/713 Euro). Noch nicht mitgerechnet in die Einkünfte ist der geldwerte Vorteil, in den eigenen vier Wänden zu wohnen und somit keine Miete zahlen zu müssen (jeder zweite Rentner in Westdeutschland). Aber natürlich hat nicht jeder Rentner Mieteinkünfte – und das heißt wiederum, dass die Durchschnittszahlen mit Vorsicht zu betrachten sind: Während ein Paar mit womöglich mehreren Zusatzeinnahmequellen extrem gut dasteht und den Schnitt nach oben zieht, sind im untersten Zehntel vor allem viele Frauen und viele frühere Selbstständige zu finden.
Die Selbstständigen sind im Alter doppelt so oft auf Grundsicherung (das Hartz IV für über 65-Jährige) angewiesen wie frühere Arbeitnehmer. Sinkt das Rentenniveau wie beschlossen von jetzt 51 auf 43 Prozent, werden gerade viele Geringverdiener – vor allem Frauen in Teilzeit oder mit 400-Euro-Jobs – im Alter deutlich stärker von Armut betroffen sein.