Siemens kappt Prognose - Auftragsschwund nimmt zu

Berlin/München (dpa) - Der Elektrokonzern Siemens hat sein Gewinnziel für das laufende Jahr wegen der konjunkturellen Talfahrt zurückgeschraubt.
Statt der bisher angepeilten 8,0 bis 8,5 Milliarden Euro rechnet der Konzern in seinen drei Sektoren Industrie, Energie und Medizintechnik jetzt nur noch mit einem Ergebnis über dem Vorjahreswert von 6,6 Milliarden Euro. «Was wir erleben, ist kein normaler Konjunkturabschwung, sondern der schärfste Absturz der Weltwirtschaft seit der großen Krise 1929», erklärte Konzernchef Peter Löscher am Mittwoch in Berlin. Dem könne sich auch Siemens nicht entziehen. «Im weiteren Jahresverlauf werden wir unter der ursprünglichen Planung aus dem Juli 2008 liegen.» Die Prognosesenkung hatte sich in den vergangenen Wochen bereits abgezeichnet.
Im April ist der Konzern nochmals in schwierigeres Fahrwasser geraten. «Das Bild im April zeigt erneut fundamentale Veränderungen zum Schlechteren in unserem gesamtwirtschaftlichen Umfeld», sagte Löscher. Anzeichen für eine kurzfristige Besserung im Wirtschafts- und Finanzierungsumfeld gebe es nicht. Siemens wolle aber nicht in «kurzfristigen Aktionismus» und Schwarzmalerei verfallen. «Die Krise kommt auch bei Siemens an, aber Siemens ist nicht in der Krise.» Um gegenzusteuern, sollen Maßnahmen wie die Verschlankung der Verwaltungen vorangetrieben werden. Außerdem setzt der Konzern auf die Optimierung seines Einkaufs, der stärker gebündelt werden soll. Auch die Zahl der mehr als 100 000 Lieferanten will Siemens mittelfristig um ein Fünftel senken, wie Vorstandsmitglied Barbara Kux bei ihrem ersten öffentlichen Auftritt erklärte.
Den weltweiten Konjunktureinbruch bekam Siemens im zweiten Quartal des Geschäftsjahres 2008/09 (30. September) durch die rascher schrumpfenden Bestellungen der Kunden zu spüren. Der Auftragseingang ging um 11 Prozent auf 20,864 Milliarden Euro zurück. Neben dem Industrie-Sektor, der schon länger wegen der Nachfrageflaute unter Druck steht, verringerte sich der Bestelleingang im Sektor Energie. Dagegen konnte Siemens den Ordereingang in der Medizintechnik vor allem dank positiver Wechselkurseffekte steigern. Der Umsatz des Konzerns stieg zwischen Januar und März um 5 Prozent auf 18,955 Milliarden Euro.
In seinen drei Sektoren verdiente Siemens im zweiten Quartal 1,844 Milliarden Euro, nach 1,288 Milliarden Euro im Vorjahreszeitraum. Allerdings gab es damals hohe Belastungen, vor allem durch Verzögerungen bei Kraftwerks-Projekten. Unter dem Strich sprang der Gewinn im zweiten Quartal 2008/09 von 412 Millionen auf 1,013 Milliarden Euro. Damit schnitt der Konzern besser ab als von vielen Experten erwartet. An den Börsen konnten die Siemens-Aktien deshalb deutlich zulegen. Zeitweise notierten die Papiere um fast sechs Prozent im Plus bei über 50 Euro. Löscher sprach von einem soliden zweiten Quartal. «Im Wettbewerbsvergleich stehen wir zwar weiterhin gut bis sehr gut da. Aber dem drastisch eingebrochenen Markt müssen auch wir Tribut zollen.»
Wegen der zunehmenden Probleme will Siemens bis Juni die Kurzarbeit von derzeit 12 000 auf 19 000 Beschäftigte ausweiten. Auf betriebsbedingte Kündigungen wolle man im laufenden Geschäftsjahr verzichten, bekräftigte Löscher. Wie es danach weitergeht, ließ er aber offen - ebenso wie zuvor schon Personalvorstand Siegfried Russwurm.
Profitieren wolle das Unternehmen von der Senkung der Vertriebs- und Verwaltungskosten. «Hier sind wir nicht nur voll auf Kurs, sondern wir kommen sogar deutlich schneller voran als ursprünglich geplant», sagte Löscher. Siemens hatte sich vorgenommen, über das Programm, das mit dem Abbau tausender Arbeitsplätze einhergeht, bis 2010 rund 1,2 Milliarden Euro einzusparen. «Zum Halbjahr 2009 haben wir bereits die Marke von einer Milliarde Euro erreicht», sagte Löscher. Deshalb könnte das Sparziel auch übertroffen werden.